Montag, 2. November 2009

Soooool, por fin...



Die Regenzeit ist vorüber... Oder etwa doch nicht?

Ein Sonntagmorgen, der auf einer Matratzenhälfte und unter einer Hängematte beginnt… Wie es dazu kam? Gute Frage, in den letzten Tagen ist hier alles ein wenig durchgedreht, vor allem die Menschen…
Der letzte Sonntag war noch recht normal, obwohl, nein, der erste Tag ohne Sturzbäche, Sonne, Sonne und noch mehr Sonne, was für eine Abwechslung nach zwei Wochen Durchnässtsein und Pfützenspringen. Und ein Tag wie jeder andere war es auch nicht unbedingt, ein gemeinsames Mittagessen mit meinen ehemaligen Mitbewohnerinnen Caro und Caro, die eine Caro hatte nämlich Geburtstag, und da wollte sie Sushi essen gehen, also sie von der Kirche abholen, einen Bus auf der Straße anhalten (obwohl seit kurzem versucht wird durchzusetzen, dass diese nur noch an den neuen Haltestellen halten, ist das weiterhin problemlos möglich), aufspringen und ab zum WOK, das Essen ist lecker, aber doch um einiges teurer als das, was man so als Studentin gewöhnt ist. Ein Spaziergang, lange Gespräche über all die neuen Lebensumständen und in Erinnerungen an „alte Zeiten“ schwelgen.

Auf Sonnenschein folgt bekanntlich dann auch wieder Sonnenschein, seit langem hatte ich keinen Sonnenbrand nach einer Viertel Stunde in der Sonne, unglaublich, das Wetter macht hier einfach was es will und all die lustigen Menschen, die meinen, es sei kalt, gut, man sollte vielleicht nicht unbedingt kurze Hosen oder einen Rock (ohne Strumpfhose) tragen (daran erkennt man nämlich auch wunderbar die Touristen), aber eine reale Kälte, die existiert hier einfach nicht, ab und an kann es mal etwas frisch sein und die klaren Vollmondnächte sind auch nicht gerade frühlingshaft, aber auf Handschuhe und Winterjacke sollte man durchaus verzichten können… Aber so ist das eben, wenn man keine Jahreszeiten kennt, da fühlt man die winzigste Temperaturschwankung schon beim Anflug. Nun denn, meine Jacke hatte ich verliehen und als ich sie wiederbekam, da war mein Studentenausweis verschwunden… Was also tun? Auf der Internetseite gibt es keine Hinweise, Nachfragen bei Freunden hat mir auch nicht weitergeholfen und dann doch, es ist recht einfach, zur Information, Bescheid geben und warten, eine Woche ohne Ausweis, das kann ganz schön anstrengend sein, jeden Tag muss man sich an einem Automaten ein Tagesticket ausdrucken lassen, um durch die Sicherheitsschranken zu gelangen, aber immerhin komme ich hinein (und auch wieder hinaus), und gut, dass ich mir Zahlen ohne Probleme merken kann, denn meine Matrikelnummer hier benötige ich jetzt ständig. Aber auch damit kann man leben, erst recht, wenn einem die Sonne lacht. Ein weiteres parcial, fünf Aufsätze bis zum Ende der Vorlesungszeit, das gar nicht mehr so weit weg ist und viel zu lesen, also alles recht alltäglich in dieser Uni-Woche, nur ein kleiner nicht unbeachtlicher Unterschied: die Aufregung, das Getuschel, die Spinnennetze überall… Nein, an Reinigungskräften mangelt es an dieser Uni nicht (es werden sogar im Fitnessstudio die Geräte von ihnen gereinigt, man muss seinen eigenen Dreck bzw. Schweiß nicht selbst wegmachen). Nein. Es geht stark auf Halloween zu, überall Kürbisse, Spinnen, Hexen,… Und überall kann man Perücken, Masken, falsche Wimpern erwerben, orangefarbene Muffins, aber das ist erst der Anfang. Bereits am Mittwoch tauchen die ersten verkleideten Studenten in der Uni auf. Häschenohren sind sehr beliebt, es fühlt sich mehr wie Karneval an, es gibt so gut wie keine Hexen oder Monster, dafür wimmelt es von Engelchen und Kätzchen und jeden Tag werden es mehr.

Ein Mittwochnachmittag im Fitnessstudio mit einer Kommilitonin, durch Zufall bekommen wir eines der Squash-Felder, das erste Mal, für uns beide. Die Anfänge sind eher kläglich, aber wir verbessern uns stetig, der Schläger trifft nicht immer den Ball und der Ball nicht immer den richtigen Bereich der Wand (sondern lieber mal die Lampen an der Decke), aber es ist das einzige Feld, auf dem ausgiebig gelacht wird. Und eine Stunde halten wir auch aus, danach wieder zur Vorlesung und abends müde ins Bett fallen.
Der nächste Morgen ist sonnig, aber schmerzhaft. Ich will nicht glauben, dass das mein Körper ist, jede kleinste Bewegung schmerzt, der Weg ins Bad und erst in die Küche. Ich bin über Nacht um Jahrhunderte gealtert, zumindest kommt es mir so vor, so einen Muskelkater hat man nicht alle Tage. Die Treppenstufen in der Uni sind eine Qual und nur, um mich ein wenig mehr leiden zu sehen, lässt ein guter Freund nicht zu, dass wir den Aufzug nutzen… Wunderbar. Wie sehr mich die Menschen hier mögen.
Und dann ist es auch schon Freitag, es ist warm und sonnig und mittlerweile vertraut man dem Wetter schon wieder und bewegt sich frohen Mutes in dem sommerlichen Klima. Prinzessinnen, Engel, Katzen, sogar Kinder in kolumbianischer Militär-Uniform laufen mit über den Weg, hier ein Schneewittchen, dort ein Kleinkind in einem quietschgelben Kükenkostüm, und hinein ins Getümmel (auch wenn noch immer Treppenstufen einige Bedenken und vor allem Schmerzen hervorrufen). Es ist ein unglaublich buntes Treiben, überall auf der Straße kann man Perücken kaufen (nur eine langhaarige schwarze suche ich vergebens – warum nur), falsche Glitzer-Wimpern, Dracula-Umhänge, bunte Haarsträhnen, Kostüme in den schrillsten Farben du überall sind Menschen, so wie wir scheinen die meisten ihr Kostüm gern auf den letzten Drücker zu kaufen. Nach etwa einer Stunde haben wir alles, was wir benötigen, durchgeschwitzt geht es in Richtung Wohnung, Klamotten wechseln und dann eine halbe Stunde im Bad, ein Spiegel, viel Weiß, viel Rot und das erste Mal in meinem Leben falsche Wimpern, was für ein Spaß,… Ja, es ist erst Freitag, aber hier wird Halloween halt genauso ausgiebig gefeiert wie Karneval in Köln, es zieht sich über mehrere Tage. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.



Es haben mich ernsthaft mehr als zehn Leute nicht wieder erkannt (und darunter auch sehr gute Freunde). Und im Transmilenio, die Blicke auf der Straße, ich wusste gar nicht, dass es so witzig sein kann andere Menschen zu erschrecken…
Ein geselliger Totenabend bei Kaminruß weit im Norden, neue und alte Gesichter; ein Vampir und sein Opfer, Rastafari, Clowns, ein Wikinger, ein Löwe und undefinierbare Verkleidungen, aber niemand kommt an meine tote Puppe heran.



Später dann geht es per Taxi in die Stadt, eine Geburtstagsparty in einer Wohnung mit einem Ausblick, unglaublich, und es gibt einen Balkon. Die Nacht endet spät oder auch früh, um diese Uhrzeit bin ich hier noch nie zuvor nach Hause gekommen. Aber es hat sich gelohnt.
Und dann am nächsten Tag will man raus, um eine Freundin zu besuchen, denkt sich nichts dabei, Sonne und so, aber neee, denkste, die Wolken brechen unter den Wassermassen zusammen, Wasserschwälle stürzen hernieder, das Abwassersystem versagt, die Straßen verwandeln sich blitzschnell in reißende Flüsse und die Menschen flüchten sich in Eingangstüren… Bis zu den Waden stehe ich plötzlich im Wasser, aber egal, ich lache den Wolken entgegen und so plötzlich wie es angefangen hat, hört es auch wieder auf und die Sonne strahlt mir mit ihrem schönsten Lächeln entgegen.
Ein kurzer Besuch in der am Samstag doch recht einsamen Bibliothek (einer der vielen Aufsätze will in nicht mal mehr einer Woche eingereicht werden) und dann ein später Nachmittag in meiner zweiten Wohnung, ein kurzer Anruf und schon bin ich wieder auf dem Weg, diesmal ohne Verkleidung, einmal reicht dann doch. In der Nähe der Uni Nacional gibt es ein kleines aber verrücktes Konzert, ganz nach meinem Geschmack. Freunde von Freunden. Es ist eine unglaubliche Mischung; Rock, Ska, Indie, Folk, Electro und sicherlich noch einige Musikrichtungen mehr, alles so genannte cuenteros, also Geschichtenerzähler, Freigeiste, Künstler, ein ganz anderer Schlag Menschen als in der Los Andes. Definitiv mein Fall, es erinnert mich ein wenig an durchgedrehte Theaterabende. Himmlisch seltsam. Wir teilen Bier und unterhalten uns ernsthaft über interessante Themen, viele studieren Anthropologie und hinterfragen alles, neue Freunde.
Nach dem Konzert und dem Einladen der drei Verstärker, des Schlagzeugs, der Geige, dem Bass, dem Keyboard, dem Cello und der E-Gitarre in einen alten MINI (plus drei Personen), bleibt dann eine Gruppe von dreizehn jugendlichen Erwachsenen übrig, die sich auf den Weg ins Ungewisse macht. Nun ja, das Ziel ist gewiss, nur der Weg nicht sonderlich. Der Transmilenio bietet seine Dienste nicht mehr an und die Busse scheinen wie vom Erdboden verschluckt. Wir müssen also laufen. Den Mädels in der Gruppe scheint das gar nicht sehr zu behagen. Einsame verlassene Straßen, Baustellen, Obdachlose, Hunde, ängstliche Blicke. Und als wir am Friedhof vorbei sind und uns der Zivilisation wieder nähern, erzählt mir Emerson (Anthropologe und eine Seele von Mensch), dass man in dem Viertel, durch das wir gerade gewandert sind, einfach so aufgrund seines Aussehens, seines Erscheinungsbildes erschossen werden kann. Deswegen auch die ängstlichen Gesichter. Aber es ist ja nichts passiert. Der Busfahrer freut sich über die Einnahmen und wir freuen uns darauf endlich im Bus zu sitzen. Ab in den Süden. Zumindest ein Stück weit, zur Wohnung der Schlagzeugerin. Ein Abend, der erneut bis in die Nacht hineinreicht. Und damit endet, dass die meisten dort bleiben, so auch ich. Und das ist auch schon die Erklärung für mein Erwachen auf einer durchgelegenen Matratze inmitten von Menschen und unter einer Hängematte (in der auch genächtigt wurde).

1 Kommentar:

  1. Da habe ich es geschafft, ihn gleich zu lesen, den neuesten Blog Eintrag! :-) Vor Karneval ist man auch in Kolumbien nicht sicher, was? ;-)
    Ich drück Dich
    Deine Tine

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