Mittwoch, 13. Juli 2011

Sin plata: Qué rico es la paella de dos ingredientes




Die deutschen Banken und ihr Sicherheitsdenken

Eine ganz besondere Erfahrung. Da wollte ich wie gewohnt Geld abheben, um mein Visum ein weiteres Mal verlängern zu können, aber an keinem der mindesten zehn verschiedenen Bankautomaten ließ sich diese Transaktion realisieren. Ein Verbindungsproblem mit der Postbank dachte ich zunächst. Man gut, dass ich mit Kike unterwegs bin und er mir ein wenig leihen kann. So geht es erneut zum DAS. Leider bin ich etwas spät dran, die Schlange steht bis nach draußen. Immerhin ist gutes Wetter. Vor mir ein junger Blondschopf, der kaum ein Wort Spanisch spricht, noch nicht einmal vernünftig Englisch. Als der Herr hinter mir mit ihm in einem Mix aus Deutsch und Niederländisch spricht, wird mir bewusst, dass ich eine gute Tat tun könnte. Also helfe ich Tobias oder Michael oder wie auch immer er heißt (ich hab’s ehrlich gesagt vergessen), das Formular auszufüllen. Selbst bei dem Wort surname hat der gute Probleme zu identifizieren, dass nach seinem Nachnamen gefragt wird. Danach müssen wir zu einer bestimmten Bank, um die geforderte Summe einzuzahlen. Da ich das ganze Prozedere bereits kenne, ist es nicht schwierig diese Bank zu finden. Allerdings ist die Schlange auch hier nicht gerade kurz. Anstehen, warten, in der Zwischenzeit erfahre ich ein wenig über meinen Landsmann. Er hat nach der Hauptschule eine Ausbildung gemacht und jetzt seit etwa zwei Monaten in einem kleinen Dorf in Kolumbien bei Pfarrern untergebracht. Bogotá, das große Chaos, kannte er bis heute nicht. Mit ihnen spricht er hauptsächlich Deutsch, er will aber in der Großstadt noch nach einem Spanischkursbuch suchen. Viel Spaß, das ist nicht so einfach wie gedacht. Da er noch eine Fotokopie und Fotos braucht, erbarme ich mich und begleite ihn. Ist ja auch nicht schlecht ein wenig Gesellschaft zu haben. Wieder im Büro des DAS müssen wir warten und warten und warten. Ausländer aus aller Herren Länder. Nach ungefähr vier Stunden erhalte ich meinen Pass mit Visum und den Worten „Hasta el veintidos de agosto, no más.“ (Nicht länger als bis zum 22.August.) Okay, okay, ich geh ja schon, ihr lieben Kolumbianer… Aber ich komme wieder, das könnt ihr mir glauben.

Am Nachmittag treffe ich mich mit einer guten Freundin, um das Geschenk für einen Freund zu besorgen. Eine Hängematte (was gibt es Schöneres auf dieser Welt), die wir später noch eigenhändig dekorieren werden. Nach längerem Verhandeln haben wir eine schlichte naturfarbene und sehr robuste in den Händen. Wir gönnen uns ein Eis. Maracuya. Herrlich.

Der Tag ist gar nicht so schlimm wie anfangs gedacht. Aber man soll ihn ja bekanntlich nicht vor dem Abend loben. Denn dann passiert das, was mir daraufhin passierte. Fröhlich gestimmt mache ich mich auf den Nachhauseweg. Und da ist auch alles gut. Bis ich die Nachrichten sehe. Die deutschen Banken haben sich dazu entschlossen, alle Transaktionen im außereuropäischen Ausland zu stoppen. Wunderbar. Das bedeutet für EC-Karten-Inhaber wie mich, dass es keinen Zugang mehr zu meinem Konto gibt. Da schau ich doch schnell mal nach, wie viel Geld ich noch habe. Ah, 6.00o Pesos. Das mag nach viel klingen, sind aber umgerechnet etwa 2,50 €. Großartig. Für wie lange weiß ich in diesem Moment noch nicht. Aber keine Sorge. Mit kühlem Kopf drüber nachdenken. Bis mir einfällt, dass ich eigentlich einkaufen gehen wollte, weil ich nicht mehr sonderlich viele Nahrungsmittel zu Hause habe. Erst einmal der Postbank schreiben, dann meine Eltern anrufen…

Ich lebe so etwa eine Woche von Paella aus zwei Zutaten wie Jonathan so schön sagt: Reis und viel Fantasie. Schmeckt gar nicht so schlecht. Aber ich nage noch nicht am Hungertuch, da die wenigen, die von meiner Situation wissen, mir Zuflucht und Essen gewähren, mich zum Mittagessen zu sich nach Hause einladen (und mir auch den Bus dorthin zahlen), mir sogar kleine Fresspakete schnüren. Letztendlich ist es keine schlechte Erfahrung ohne Geld zu leben, nur wenn dann die Miete eingefordert wird, könnte es schwierig werden. Ich habe zwar noch immer keinen Zugang zu meinem Konto, aber glücklicherweise habe ich Eltern, die mich nicht verhungern lassen (und eben auch einige Freunde).

Dienstag, 12. Juli 2011

De lo digital a lo físico



Von Druckerschwärze und Aluminiumplatten


Die dritte Ausgabe. The City Paper No. 38. Und ich bin dabei. Es ist zwar nur ein Artikel, aber der ist dafür umso aussagekräftiger, da das Thema komplett selbstbestimmt ist, viel Herzblut drinsteckt und ich auf die Straße musste. Es geht um Verkäufer, nicht die typischen llamadas oder USB-Sticks die lauthals von vagabundierenden fußläufigen Händlern vertrieben werden, sondern es geht vielmehr um solche, die ihr Auto zum Geschäft machen. Da werden allerlei interessante Dinge verkauft, so z.B. Lederwaren, Eis und Kaffee in all seinen Formen (von Espresso bis zur Latte Macchiato), aber auch viel Kurioseres: kopflose Hühner frisch geschlachtet. Natürlich sind diese Formen des Verkaufens nicht unbedingt legal, aber was hier alles am Rande des Verbotenen stattfindet, lässt sich nicht einmal an zehn Händen abzählen. Dieser Artikel hat mich also auf die Straße getrieben, anfangs waren die meisten Angesprochenen recht zurückhaltend, aber letztendlich konnte ich den meisten Vertrauen erwecken und sie erzählten mir ihre Geschichten.

Der Morgen der Verwirklichung, des Druckens der Zeitung klopft nunmehr an die Tür. Und zwar früh, sehr früh, ich stehe um Viertel vor fünf auf, denn die Busfahrt in dem kleinen abgedroschenen colectivo dauert so seine Zeit, da die Druckerei in der Nähe des Flughafens liegt. Weit weg vom Zentrum der Stadt. Um sieben steh ich pünktlich vor der Tür der wichtigsten Wirtschafts-Zeitung Kolumbiens: La República. Hier werden auch viele andere kleine nationale Zeitungen gedruckt, wie die Tageszeitung der Südseeinsel San Andrés oder die monatliche Gemeinschaftsausgabe einiger Stadtviertel Bogotás. Und eben auch The City Paper. María Claudia hat Geburtstag, meine Chefin. Aber das nur am Rande (der Legalität versteht sich). Zuerst werden alle Seiten der Zeitungen am Computer mit Hilfe eines Grafikdesigners ins rechte Licht gerückt. Es geht darum, dass alles perfekt in die vorgegeben Maße passt. Außerdem können noch Kleinigkeiten verändert werden. Da gibt es einige Fotos, die doch noch irgendwie im RGB-Modus auftauchen und nicht wie gewünscht im CMYK-Modus oder die Farbpalette ist bereits ausgereizt und es müssen einige verändert werden. Es wird zurecht geruckelt und gezuckelt bevor es zum Negativ der Zeitung geht: Aluminiumplatten. Diese werden gedruckt in einem riesigen Fotodrucker, aber eben nicht auf Papier, sondern auf Metall. Man gut, dass die Technik nicht bei Gutenberg stehen geblieben ist, sonst würden wir noch jetzt (einen Monat später) Buchstaben in die richtige Reihenfolge setzen. Jede der vier Farben einzeln, aber vier Seiten auf einer Platte, in einer Anordnung, die selbst Richard, der Verleger, noch immer nicht versteht. Dieser Prozess dauert, somit haben wir ein wenig Zeit in der quietschgrün gestrichenen Kantine zu frühstücken. Natürlich typisch kolumbianisch: Eier je nach gusto, fluffiges Weißbrot und heiße Schokolade (oder Kaffee, von dem mir jedoch MC abrät). Danach geht es von dem so geordneten und ruhigen Bereich, in dem Journalisten und Designer ihre Arbeiter verrichten zwei Türen weiter. Dort ist nichts mehr von der Stille zu spüren: Maschinen rattern, Männer und Frauen in Blaumännern schleppen Zeitungspapier und Farben durch die Gegend, versuchen sich lautstark oder auch mit Handzeichen zu verständigen. Es ist laut und Druckerschwärze liegt in der Luft. Die riesige Druckermaschine wird zum Stillstand gebracht, die Platten werden eingespannt und schon wird die Geschwindigkeit wieder hochgedreht. Erste Exemplare werden ausgespuckt, jetzt werden Farben berichtigt. Vor allem wird nach der Perfektion der Werbeanzeigen geschaut, außerdem muss jede Aluminiumplatte haargenau an der gleichen Stelle sitzen, damit keine Unschärfe auf der gedruckten Seite entsteht. Ein langwieriger Prozess. Immer wieder werden Zeitungsexemplare herausgefischt und genau nachgesehen, ob alles stimmt. Als wir zufrieden sind mit dem Druck, wird die Geschwindigkeit hochgeregelt. Die Druckerpresse druckt und druckt. Immer wieder werden Exemplare herausgegriffen, um die Qualität zu sichern. Binnen einer halben Stunde werden etwa 11.000 Zeitungen gedruckt, es ginge auch schneller, aber je schneller die Presse läuft, desto höher ist das Risiko, dass das Papier reißt und das würde bedeuten, nochmal fast von Vorne zu beginnen. Die Zeitungsränder müssen geschnitten werden und dann werden Pakete á 200 Ausgaben per Hand geschnürt. Gegen Mittag verlassen wir das Gebäude, essen zusammen Pizza und dann geht es zur Verteilung, zumindest schon ein paar Stadtviertel werden mit der neuesten Ausgabe von The City Paper bestückt. Viel Hand- und Beinarbeit. In meinen Händen halte ich meinen gedruckten Artikel.