Freitag, 28. März 2014

Gutes Essen, gute Musik und guter Wein

 
Das harte chilenische Leben

Das Warten hat sich gelohnt: Als stünden diese Tage unter einem Motto, lasse ich es mir verdammt gutgehen. So dürfte das chilenische Leben gerne öfters schmecken. Im wohl gehobensten peruanischen Restaurant gehe ich mit Max, der noch ein paar Tage in meiner Studienstadt verbringt, bevor er wieder nach Deutschland fliegt, und Rita, einer guten Freundin, das Geburtstagsessen nachholen. Kellner mit weißem Hemd, Weste und Fliege bedienen uns, bei so viel Fisch und Meeresfrüchten auf der Karte fällt mir die Entscheidung nicht leicht. Und noch viel schwerer wird es, als wir die Dessert-Karte vor Augen geführt bekommen. Ob nun kluge Verkaufsmasche oder Entscheidungshilfe, die Nachtischauswahl wird uns auf einem Silbertablett präsentiert. Aufgrund meines Maracuja-Fetischs wähle ich die Maracuja-Tarte aus und wenige Minuten später versinken nicht nur unsere Löffel in feinsten süßen Träumen. Die Sonne strahlt, der Sonntag ist noch gar nicht so weit vorangeschritten. Erst gegen Mitternacht wird Max nach mehr als drei Wochen die Heimreise antreten.

Nach einem kurzen Abschied laufe ich durch die nächtlichen Straßen und bin plötzlich wieder mit mir alleine.  Der Wind fährt durch die nächtlichen Wipfel, die Wolken rasen vor dem Mond entlang und die Stadt ist still, stiller, am stillsten. Am nächsten Morgen beginnt das neue Semester, doch welche Kurse ich tatsächlich besuchen werde, weiß ich noch gar nicht so recht. Aber die einhellige Meinung: In der ersten Woche geschieht so oder so noch nicht viel. Erstmal alles ruhig angehen lassen? Nichts da. Ein Intensiv-Seminar mit einem Dozenten von der Universität Leipzig steht plötzlich bereits an, obwohl es auf der Internetpastel de choclo, einen für die Jahreszeit typischen Maisauflauf, dazu frischer Melonen-Saft. Dann noch schnell ein bombastisch geschmacksintensives Eis beim Emporio de la Rosa. Und dann müssen wir uns beeilen, die Busse zu einem der vielen Stadien Santiagos sind bereits überfüllt: Konzertgänger überall. Die Schlange ist schier unübersichtlich lang. Während Rita sich anstellt, versuche ich herauszufinden, wo ich meinen Rechnungsbeleg gegen unsere wirklichen Tickets einlöse. Tatsächlich gibt es noch freundliche Sicherheitskräfte, die mir den Weg weisen. Schneller und entspannter, als gedacht, kommen wir mit den Tickets in der Hand durch die Sicherheitskontrolle. Es kann endlich losgehen: erst Chico Trujillo, dann Manuel García und schließlich Calle 13. Vier Stunden, zwar ein wenig frisch unter freiem Himmel, aber Musik hält warm. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Sowohl die mir bis dahin nicht sehr bekannten Klänge der beiden chilenischen Bands, als auch das lang erwartete Konzert der puerto-ricanischen Band haben den Santiago-Großstadt-Blues zumindest für heute zunichte gemacht.

seite der hiesigen Universität erst in zwei Wochen angeschlagen steht. So schnell kann die Uni wieder sämtliche aufgetankte Reiseenergie in Anspruch nehmen. In den Pausen schreibe ich mich dann noch schnell in weitere Kurse ein, spreche hier mit einem Dozenten, dort mit Mitstudenten und plötzlich steht der Freitag vor der Tür. Da ich mich noch nicht ganz dem universitären Leben hingeben möchte und meinen Reiseenergiespeicher auch nicht gleich komplett entladen möchte, setze ich mich wieder in den Bus. An meiner Seite: Rita. Mit Frontfenstersicht und erstaunlicherweise vernünftigen Sicherheitsgurten fahren wir in Richtung Hauptstadt. Mittlerweile kennen wir uns dort gut aus, eigentlich wollen wir gar nicht in die hitzige Großstadt mit all dem Trubel und Gewimmel. Aber wie es so ist, hier in Chile, wenn man ein bisschen Kultur genießen will, muss man meist ins Zentrum. Denn kulturell und politisch gesehen, ist Santiago leider Chile. Auch wenn das vielleicht ein wenig übertrieben klingt, doch der Zentralismus dieses Landes ist hier stark zu spüren. In einem gemütlich grünem Restaurant essen wir zu Mittag oder auch Abend, vielmehr zu Nachmittag. Das Mittagsmenü ist leider aus, dann eben à la carte: Quinoa-Risotto und ein vegetarischen
Am nächsten Morgen schlafen wir aus und trotzdem scheinen wir gegen 9 Uhr die ersten wachen Menschen in unserem 8-Bett-Zimmer zu sein. Vergebens versuchen wir den holzknarrigen Boden zum Schweigen zu bringen und sind so ungewollt Weckdienst für die anderen. Aber Frühstück gibt’s hier doch auch nur bis 10 Uhr. So übel dürften es uns unsere Bettnachbarn gar nicht nehmen. Mit wunderbar leichtem Gepäck steigen wir in die Metro. Es ist vormittags und draußen bereits grellwarm, während die Metro stickigschwulstige Luft bietet. Immerhin steigen wir in der einen Endstation ein und an der anderen aus, Sitzplatzsicherheit. Es geht immer weiter heraus aus dem Zentrum, die Gegend wird wohnlicher, die Häuer flacher und das Großstadtgefühl schwindet. An einer Station steigt eine bunte Truppe ein, insgeheim wünsche ich mir, dass irgendetwas Außergewöhnlicher passieren möge. Still und leise kommt aus der großen, schwarzen Tasche ein Kontrabass hervor, aus der Einkaufstasche lugt ein Waschbrett und aus der Ecke blitzt bereits das Saxophon. In Sekundenschnelle erfüllt jammige Jazz-Musik den Wagon und entlockt den Reisenden ein Lächeln, manch einer lässt sich sogar zum Mitklatschen hinreißen. Leider währt dieses wohlige Gefühl nicht lange, denn schnell kommt eine Sicherheitskraft, um den Künstlern ihre Kunst zu verbieten. Dagegen wehren sich die Metro-Fahrer, zeigen Solidarität und erklatschen und errufen eine Zugabe, die sich die Musiker nicht nehmen lassen. Um welchen Preis? Das werden wir nie erfahren, sie werden an der nächsten Station von weiteren Sicherheitskräften in Empfang genommen. Dafür allerdings mit Applaus aus dem Wagon heraus.


Da Chile bei den meisten Nicht-Chilenen vor allem eine Assoziation hervorruft – Wein –, kann ich dieses Land natürlich nicht verlassen, ohne nicht zumindest ein Weingut besichtigt zu haben. In vielen Regionen gibt es zahlreiche Anwesen, größere und kleinere, doch ohne Auto bleiben viele unerreichbar. Deswegen fahren wir zum größten und wohl bekanntesten Weingut namens Concha y Toro. Wir sind zu früh, viel zu früh für unsere Tour, sodass wir in der Weinbar Platz nehmen und vor der Weinführung noch etwas auf der Terrasse zu Mittag essen. Heute knausern wir nicht, sondern leben für einen halben Tag das Leben betuchterer Touristen (nur dem Kleidungsstil wollen wir uns nicht anpassen). Das Mousse au chocolat kommt im Anschluss an vegetarische Lasagne und Schrimps-Tagliatelle nicht um unsere Löffel herum. Um 14 Uhr stehen wir gut gesättigt vor dem schwarzen Eisentor, hinter dem ein hübsch aufgeräumtes Anwesen samt Garten und Weinreben steht. Seit 1883 besteht das Gut und ist nach dem US-amerikanischen Weingut Gallo laut unserer flotten Führerin das zweitgrößte, aber natürlich weltbeste Weingut. Hauptsächlich werden hier Rotweine produziert, ein paar unterschiedliche Traubensorten dürfen wir probieren: Cabernet Sauvignon, Merlot, Carménère. Aber auch guter Weißwein wird hier gekellert. Zunächst lernen wir, unser Glas richtig zu halten. Nun lassen wir den Wein im Schwenkverfahren atmen, nehmen einen ersten Nasenhieb Aroma auf, bevor es dann Salute heißt und der Trio, bestehend aus Chardonnay, Pinot Grigio und Pinot Blanc, unsere Kehlen kühlt. Ein Fest. Und zwar ein berauschendes. Oh Bacchus! Vom luftig-frischen Weißweingefühl geht es schnell hinab ins sterilkühle Lager, in dem je 225 Liter Wein in Eichenfässern gelagert wird. Der kostspieligere Rotwein des Hauses weilt bis zu 36 Monate in den Teufelstiefen, im Casillero del Diablo. Dort unten lässt uns unsere Führerin alleine, die schweren Holztüren fallen ins Schloss und über eine an die uralten Mauern projizierte Animation wird die Geschichte dieses eigenwilligen Ortes erläutert. Anschließend dürfen wir dem Teufel noch persönlich in die Augen schauen, er wacht über die preislosen Schätze: verstaubte, jahrhundertealte Weine. Dieses Teufelszeug wird uns leider nicht eingeschenkt, dafür aber zwei gute Rotweine. 

Vier Freunde und eine Käseplatte

Wieder draußen blendet die Sonne, doch wir machen weiter. Kein Trinkgelage, nein, viel besser: eine Weinverkostung mit Sommelier. Vier Weine stehen vor uns: ein Pinot Noir, ein Merlot, ein Carménère und ein Cabernet Sauvignon. Passend dazu vier unterschiedliche Käsesorten. Und auch hier heißt es erst den Kelch schwenken, Riechkolben im Glas versenken und dann den Gaumen tränken. Auch wenn die vom Sommelier benannten Nuancen nur schwerlich für mich zu erkennen sind, es vermittelt zumindest das Gefühl, die Weine ein wenig besser zu verstehen. Demnächst werde ich wohl häufiger zum mediterran leichten Pinot Noir als zum bauchig schweren Cabernet Sauvignon greifen. Salute!

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