| Wellenwildfang an der Nordküste Rapa Nuis |
Es
sei noch einmal Mai. Zweieinhalb Wochen noch in Chile. Gerade bin ich in meiner
alten WG hängen geblieben, draußen schüttet es in herbstlichen Strömen. Der
Sushi-Lieferant badet deswegen in unserem Mitleid, denn erst nach einer Stunde
klingelt er an der Tür. Er hat sich verfahren und dann hilflos gesucht, bis er
endlich durchweicht zu uns gefunden hat. Das Sushi mundet, es kommt natürlich
nicht gegen den Tokyoter Fischmarkt an, aber schlecht ist es nicht. Langsam
muss ich dann aber doch aufbrechen, der Bus fährt um 23 Uhr mit
Hauptstadtrichtung. Schnell nach Hause, die letzten überlebenswichtigen Dinge
in den Rucksack packen, Rita abholen, mit der micro zum Busbahnhof und durch
die Nacht fahren. Draußen ist es ungemütlich, die Ledersitze der
Busgesellschaft sind zwar nicht kuschlig, dennoch erträglich. Es ist noch
dunkel, als wir in Santiago ankommen, der Morgen ergraut erst am Flughafen.
Ach, eine letzte Reise vor der Rückkehr. Da steht er auch schon angeschlagen:
9.05 Uhr, Osterinsel. Sechs Stunden Flug, mehr als 3700 Kilometer vom
chilenischen Festland entfernt liegt dieses winzige Eiland. Ein zuvor nicht
existenter Traum geht gerade in Erfüllung, nicht einen Gedanken habe ich
bislang daran verschwendet, dem Reiseführerzusatz (Chile & Osterinsel)
Beachtung zu schenken. Ganz plötzlich keimte die Schnapsidee und auch ganz
plötzlich saßen wir im LAN-Büro, um die Flugtickets zu kaufen. Das Flugzeug ist
voll, hauptsächlich gut betuchte Touristen, nur wenige Insulaner auf dem
Heimweg. Neben mir sitzt eine ältere Festland-Chilenin, die es vor 23 Jahren
auf die Insel verschlagen hat und für Nichts in der Welt zurückgehen würde. Es
soll mir ähnlich ergehen, nur leider werde ich dieses Paradies wieder verlassen
müssen.
Im
Landeanflug erahne ich, wie klein und abgelegen diese Insel ist. Wir landen,
das einzige Flugzeug für den heutigen Tag. Gegen eine feucht-warme Wand laufe
ich beim Heraustreten aus dem Flugzeugbauch. Um uns herum ist es grün, ich
eratme das Meer, weit ist es nicht. Im hölzernen Flughafengebäude werden wir
bereits von Oscar erwartet, durch die gläserne Schiebetür wieder hinaus, eine
leuchtend gelbe Blumenkette um den Hals gelegt. Das Gepäck kommt in den
Geländewagen, eine kurze Rundfahrt durch den Ort soll uns einen ersten Überblick
verschaffen, dann endet unsere Fahrt im Hostel Kona Tau. Ob es die Flugstunden
oder das feucht-warme Klima ist, wir wissen es nicht, doch sind wir erledigt,
kuscheln uns in unsere Betten und schlafen eine Weile. Das Aufstehen am späten
Nachmittag fällt schwer, doch viel Zeit bleibt uns in diesem Paradies leider
nicht, also ziehen wir los, streunen durch die Straßen, entdecken bereits die
ersten moai-Statuen und wollen jetzt
doch mehr wissen. So begeben wir uns auf die Suche nach dem einzigen Museum der
Insel. Es liegt ein wenig abseits, die Insulaner, so stellen wir fest, zeigen
sich zwar gerne oberkörperfrei, doch nicht allzu aufgeschlossen. Iorana, mehr können wir nicht auf Rapa
Nui sagen, schade, denn die hiesige Sprache hat einen wunderschönen Klang, da
schlägt das Linguistenherz gleich höher. Also müssen wir auf unser chilenisch
gefärbtes Spanisch zurückgreifen und werden daraufhin auch nur mit
richtungsweisenden Handbewegungen bedacht. Etwa eine Stunde vor Schließung
stehen wir vor dem modernen Bau des von einem Deutschen gegründeten Museums.
Sebastian Englert, zunächst Mönch des Kapuzinerordens, Geistlicher während des
ersten Weltkrieges, der dann Chiles Süden und die indigenen Sprachen erkundete.
Wahrscheinlich hat ihn irgendwann das Inselfieber gepackt und sich deswegen auf
die Kultur und Sprache Rapa Nuis konzentriert. Einen Teil seiner Arbeit
durchforsten wir also im gleichnamigen Museum. Doch wie auch alle anderen
Wissenschaftler konnte dieser Mann das ein oder andere Geheimnis der Insel nicht
lüften, zwar erfahren wir viel über Riten und Traditionen, über den Bau von
inseltypischen Kanus, die originäre Flora und Fauna, doch was die Riesen der
Insel betrifft, die maoi-Statuen,
bleiben Fragen. Mit vollem Kopf und neuem Wissen bewaffnet taumeln wir hinaus,
blicken aufs Meer und bemerken unsere grummelnden Mägen. Auch wenn es ein wenig
edel und teuer daherkommt, lassen wir uns im Te Moana nieder und starren,
passend zum Restaurantnamen, auf das tiefe Blau des Ozeans.
Michelada und Guayaba-Saft im Sonnenuntergang, ein großartiges Fischfilet dazu violettes Süßkartoffel-Püree und frisches Gemüse in Kokossoße. Und weil es noch nicht vulkanisch genug hier ist, lassen wir uns den Schokoladen-Vulkan bringen. Direkt neben uns lässt der Pazifik seine Wellen zerschellen. Im Abendlicht beobachten wir Surfer, die wie wartende Wale ihre Welle herbeisehnen und sich dann behände erheben, um sich der Wasserkraft zu bemächtigen. Nur ungerne verlassen wir unseren Ausblick, doch der Wind frischt auf und die Nacht hüllt uns bereits ein. Gegenüber des winzigen Hafens von Hanga Roa erstreckt sich ein Fußballfeld, auf das die einzigen Flutlichtstrahler der Insel gerichtet sind und auf dem jeden Abend Trikots verschwitzt werden. Es ist also nicht verwunderlich, dass der Großteil der Menschen hier gut durchtrainiert über die Insel spaziert. Dazu das große Statuenhafte der polynesischen Wurzeln, da könnte man sich glatt verlieben, und das ist erst das Äußerliche.
| Das Leben ist hart und ungerecht, zumeist |
Michelada und Guayaba-Saft im Sonnenuntergang, ein großartiges Fischfilet dazu violettes Süßkartoffel-Püree und frisches Gemüse in Kokossoße. Und weil es noch nicht vulkanisch genug hier ist, lassen wir uns den Schokoladen-Vulkan bringen. Direkt neben uns lässt der Pazifik seine Wellen zerschellen. Im Abendlicht beobachten wir Surfer, die wie wartende Wale ihre Welle herbeisehnen und sich dann behände erheben, um sich der Wasserkraft zu bemächtigen. Nur ungerne verlassen wir unseren Ausblick, doch der Wind frischt auf und die Nacht hüllt uns bereits ein. Gegenüber des winzigen Hafens von Hanga Roa erstreckt sich ein Fußballfeld, auf das die einzigen Flutlichtstrahler der Insel gerichtet sind und auf dem jeden Abend Trikots verschwitzt werden. Es ist also nicht verwunderlich, dass der Großteil der Menschen hier gut durchtrainiert über die Insel spaziert. Dazu das große Statuenhafte der polynesischen Wurzeln, da könnte man sich glatt verlieben, und das ist erst das Äußerliche.
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| Postkartenwürdiges Sonnengold |
Am
nächsten Morgen erkunden wir noch ein wenig den einzigen Ort auf der Insel,
dann wollen wir hinauf auf einen der ältesten Vulkane - den Rano Kau, der zu der Orongo-Kultstätte
führt. Immer an der Küste entlang entdecken wir die Ana Kai Tangata, eine Höhle
auf Meeresniveau. An den Wänden lassen sich Manutara-Vögel erahnen, doch die
Witterung hat seit Jahrhunderten dafür gesorgt, dass die Wandmalereien langsam
verschwinden. Das schwarze Vulkangestein und das Tiefblau des Pazifiks stehen
im Kontrast zum grünen Inselinneren. Im Manavai-Garten stehen Bäume, Sträucher
und andere Pflanzen von einer hüfthohen Steinmauer umringt, damit sich die
Feuchtigkeit besser hält. Durch einen der wenigen Inselwälder wandern wir nach
oben, wirklich hoch gelegen ist der erloschene Vulkan nicht, doch die Hitze
bringt uns zum Schwitzen.
Hibiskus, Eukalyptus, Bougainville, Orchideen und allerlei andere mir fremde Pflanzen säumen den Weg, das wilde Gras verleibt sich die menschlichen Spuren ein, hier ein umgestürztes Schild, dort ein zugewucherter Weg. Nur wenige wandern zum Kratersee, die meisten fahren mit dem Auto hoch. Der Blick auf die ganze Insel zeigt, wie vielfältig sie doch ist, das grün changiert, die Hügelkuppen sind dort hinten rundlicher, erinnern mich ein wenig an die rundgeschnittenen Friedhofsbäume im patagonischen Punta Arenas. Wir sind alleine hier oben, kein Touristenansturm. Ruhe.
| Der Kratersee des erloschenen Rano Kau |
Hibiskus, Eukalyptus, Bougainville, Orchideen und allerlei andere mir fremde Pflanzen säumen den Weg, das wilde Gras verleibt sich die menschlichen Spuren ein, hier ein umgestürztes Schild, dort ein zugewucherter Weg. Nur wenige wandern zum Kratersee, die meisten fahren mit dem Auto hoch. Der Blick auf die ganze Insel zeigt, wie vielfältig sie doch ist, das grün changiert, die Hügelkuppen sind dort hinten rundlicher, erinnern mich ein wenig an die rundgeschnittenen Friedhofsbäume im patagonischen Punta Arenas. Wir sind alleine hier oben, kein Touristenansturm. Ruhe.
Doch
ganz ohne Touristen-Programm kommen wir nicht aus, am Abend entscheiden wir uns
dazu, das kulturelle Kai-Kai-Ballett zu begutachten. Spärlich bekleidete Männer
mit Trommeln, Ukulele und anderen Zupfinstrumenten nehmen im hinteren Teil der
Bühne Platz, der Kopfschmuck ist opulenter als das Untenrum. Einige Frauen in
langen Hawaii-Kleidern stimmen die ersten Gesänge an, es wirkt
fröhlich-melancholisch. Und dann kommen die ersten Tänzer auf die Bühne. Die
Männer, allesamt tätowiert, tragen einen Bastrock und auch um ihre Waden
schlingt sich Pflanzengewebe. Die Frauen dagegen tragen Röcke aus Federn. Die
Körper bewegen sich fließend zur Musik, ganz anders als die Festlandchilenen
wissen die Insulaner ihre Hüfte einzusetzen, ihren ganzen Körper, als würden
sie eins sein mit ihrer Umgebung. Ob das alles noch mit Tradition und
Natürlichkeit zu tun hat, oder ob es nicht nur noch ausschließlich der
touristischen Unterhaltung dient, es lässt sich nur schwer sagen. Die tanzenden
Körper erzählen Geschichten ohne Untertitel, es lässt sich oft erahnen, worum
es geht, doch auch hier wird Kultur bewahrt, nicht ganz preis gegeben. Und ein
wenig vorgeführt werden tanzwillige Touristen dann glücklicherweise auch. Auf der
Bühne bewegen sich die meisten eher hölzern und wirken neben den Tänzern wie
Witzfiguren. Ein Glück, dass ich mich hinter meiner Kamera verstecken kann und
mich keiner der halbnackten Männer ins Rampenlicht zerrt. Da genieße ich doch
lieber die Fremdscham, die mich beim Anblick der Peinlichkeit überkommt.
Mittlerweile hat sich die Nacht auf die Insel gelegt, nur wenige
Straßenlaternen helfen beim Nachhauseweg. Der Mond steht voll am Himmel, es ist
noch ruhiger als am Tage. Von der Gartenterrasse aus sehe ich sogar das
silbrig-plätschernde Meer, der schwarze Horizont verspricht einen stillen
Schlaf.
Am
nächsten Morgen begeben wir uns ans andere Ende der Insel, wir ziehen um ins
Hostel Petero Atamu, eigentlich wollten wir wegen des günstigeren Übernachtungspreises
bereits anfangs hierhin, doch es war bis zum heutigen Tage ausgebucht. Erst als
uns eine Ladenbesitzerin hilft, finden wir die versteckte Herberge. Wie überall
auf der Insel laufen hier ziemlich viele Hühner herum. Ich würde meinen, es
lebten mehr gefiederte Tiere auf Rapa Nui als Menschen – und da würde ich sogar
die 60 000 Touristen pro Jahr mitzählen. Heute geht es endlich unter
Wasser, vorher ein leichtes Mittagessen, doch das Dessert im Café Caramelo
mitsamt frischem Mangosaft liegt uns vor dem Tauchgang doch ein wenig schwer im
Magen. In der Tauchbasis Mike Rapu erwarten uns Neoprenanzüge, eine bereits
vorbereitete Tauchausrüstung sowie Bruno und der namenlose Argentinier mit den
schönen Augen. Eine kurze Einführung – neben mir sitzen drei Tauchneulinge, für
mich ein Auffrischen, denn es ist bereits vier Jahre her seit meinem letzten
Tauchgang in der kolumbianischen Karibik. Heute wird mir alles abgenommen, das
Ablassen der Luft, das Austarieren unter Wasser. Doch erst einmal fahren wir
mit dem kleinen Boot auf See, zehn Minuten vom Hafen entfernt liegt ein kleines
Korallenriff, um Rapa Nui herum befindet sich nach dem australischen Great
Barrier Rief das zweitgrößte lebende Korallenriff der Welt. Rückwärtsrolle vom
Bootsrand hinein in den Pazifik, selbst da wird uns geholfen. Während ich mit
Bruno abtauche, beschäftigt sich Rita mit den stahlblauen Augen des
Argentiniers und so tauchen wir getrennte Wege. Tief hinunter geht es nicht, 12
bis 15 Meter. Doch auch hier ist es bereits bunt und geht auch so zu: Langnasen-Pinzettenfische
streiten sich mit Doktorfischen, Falterfischen und anderen farbenfrohen
Gesellen um die Überreste eines Seeigels. Hie und da schweben Trompetenfische
kopfüber über dem Korallenriff, in einer dunklen Höhle versteckt sich eine
giftige Abotts-Muräne, im sandigen Untergrund ein Fasanbutt. Mitten im Gewusel
schwimmt mir ein Perlhuhn-Kugelfisch vor die Maske, und auch ein Skorpionsfisch
lässt sich blicken, eine Muräne verschwindet ebenso schnell, wie wir sie
erblickt haben. Nur der auch hier heimische Galapagoshai hat sich nicht zeigen
wollen, vielleicht auch besser so. Die halbe Stunde unter Wasser geht schneller
um, als mir lieb ist, doch der Wunsch, das Tauchen wieder ernster zu nehmen,
ist im flachen Blau entsprungen. Immerhin schaukeln wir noch eine halbe Stunde
auf dem Boot vor der Steilküste Rapa Nuis, bevor das Schwanken der Wellen
wieder durch festen Boden unter den Füßen ersetzt wird.
Eigentlich sind wir erledigt, doch wir müssen noch das Auto an unsere ersten Bleibe abholen, damit wir morgen früh pünktlich zum Sonnenaufgang am anderen Ende der Insel sind. Also raffen wir uns nach zu Hause gekochten Nudeln auf, bei deren Kochvorgang beinahe die hauseigene Katze mit im Kochtopf gelandet wäre, so sehr hat sie uns genervt (ein Glück für sie sind wir beide keine Fleischesser), spazieren durch das abendliche Hanga Roa, einmal quer durch den Ort, nur um dann die Information zu erhalten, dass das uns zugesagte Auto momentan nicht verfügbar ist. Aber morgen früh, ganz sicher. Chilenische Zuverlässigkeit also auch mitten im Nirgendwo. Großartig. Dabei haben wir unserer zweiten Möglichkeit bereits abgesagt.
| Tiefes Meeresblau und neugierige Fische |
Eigentlich sind wir erledigt, doch wir müssen noch das Auto an unsere ersten Bleibe abholen, damit wir morgen früh pünktlich zum Sonnenaufgang am anderen Ende der Insel sind. Also raffen wir uns nach zu Hause gekochten Nudeln auf, bei deren Kochvorgang beinahe die hauseigene Katze mit im Kochtopf gelandet wäre, so sehr hat sie uns genervt (ein Glück für sie sind wir beide keine Fleischesser), spazieren durch das abendliche Hanga Roa, einmal quer durch den Ort, nur um dann die Information zu erhalten, dass das uns zugesagte Auto momentan nicht verfügbar ist. Aber morgen früh, ganz sicher. Chilenische Zuverlässigkeit also auch mitten im Nirgendwo. Großartig. Dabei haben wir unserer zweiten Möglichkeit bereits abgesagt.
Am
nächsten Morgen werden wir angerufen, das Auto sei nicht da, aber für den
darauffolgenden Tag ganz bestimmt. Ja, sicher. Gereizt und bereits mit belegtem
Festlandvollkornbrot im Gepäck versuchen wir unser Glück bei einer hoffentlich seriösen
Autovermietung. Und siehe da, wir müssen nur eine halbe Stunde (im etwas zu
großen Massage-Sessel) warten und dann steht uns ein kleiner, roter
Geländewagen zur Verfügung. Da Rita ihren Führerschein in Deutschland gelassen
hat, werde ich mich wohl hinter das Steuer des Suzuki klemmen, der erste
Japaner. Die Straßen sind mindestens genauso ruhig wie das gesamte Inselleben.
Auf der einzigen Küstenstraße ist viel Platz und mit 40 Stundenkilometern
(Höchstgeschwindigkeit) kurven wir durch die raue Natur. Laut Karte sind wir
bereits an den ersten moai-Statuen
vorbeigefahren, doch das soll uns nicht stören. Wir stellen das Auto am
Straßenrand ab, wenn es uns beliebt, klettern über Vulkangestein zu den Ecken,
die uns rufen, halten hier, halten dort. Irgendwann biegen wir links ab, ins
Inselinnere, wohlgemerkt bis hierher die einzige Möglichkeit, abzubiegen und
kommen am Rano Raraku kaum noch aus dem Staunen heraus. An diesem Vulkan
schauen allerorts maoi in die
himmlische Ferne, nicht abgehoben, von oben herab, sondern mit einer Weitsicht
aufs hinter ihnen liegende Leben. Trotz der zahlreichen Touristen hier birgt
der Ort Ruhe und Gemütlichkeit, zugleich Großes. In jedem Winkel steht oder
liegt ein moai, im Vulkangestein
warten halb herausgearbeitete moai
auf ihr Auferstehen. Doch das wird niemals stattfinden, ein ewig währender
Schlaf steht ihnen bevor. Alles scheint hier still zu stehen, die unerklärliche
Geschichte der Insel lacht uns ein wenig hämisch ins Gesicht, alles können wir
Menschen denn dann doch nicht entziffern und verstehen. Gut so.
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| moai am Rano Raraku |
Irgendwo
steht eine einsame Palme, die Grüntöne haben sich verändert, im Osten ragt die
Halbinsel Poike empor, der älteste Vulkan dieser Insel. Die Meeresluft strömt
zum weit geöffneten Fenster hinein, und da, zu unserer Rechten stehen 15 moai nebeneinander aufgereiht, einer der
wenigen restaurierten Orte: Tongariki. Dem Tsunami im Jahre 1960 konnten selbst
die schweren Steinkolosse nicht standhalten und erst Jahrzehnte später, in den
1990er Jahren wurde die ahu, die
Zeremonie-Plattform, wieder mit den ins Inselinnere gerichtete Ahnen bestükt.
Gerade sind zwei Busse voller Touristen angekommen, wir nehmen uns Zeit und
essen mit Blick auf das Meer und die Statuen unsere Brote, bis wir tatsächlich
für kurze Zeit ganz alleine sind.
Über Schotterpisten im Schritttempo geht es zum einzigen Strand der Insel. Doch zuvor machen wir Halt am Bauchnabel der Welt, Te Pito O Te Henua, ein runder Stein am Pazifik, an dem wir mana sammeln, Kraft. Der Stein ist warm und auch wenn es esoterisch klingen mag, es herrscht ein Frieden an diesem Ort, der sich leicht aufs Innere überträgt. Mit aufgelegten Händen sitzen wir hier und vergessen die Zeit, bis eine Gruppe Chilenen kommt und uns mit ironischen Blicken verscheucht. Aber wir warten noch einmal, bis sie wieder verschwunden sind und der Frieden zurückgekehrt ist. Ein paar Kilometer weiter liegt der Anakena-Strand, weißer Sandstrand, ein Palmenwäldchen, moai-Statuen, die Bucht lädt zum Baden ein. Und das tun wir auch ausgiebig, das Pazifikwasser ist wärmer als erwartet und damit perfekt für diesen luftigen Tag. Wir plätschern dahin, paddeln, schwimmen, lassen uns treiben. Herrlich.
| moai-Interpretation |
Über Schotterpisten im Schritttempo geht es zum einzigen Strand der Insel. Doch zuvor machen wir Halt am Bauchnabel der Welt, Te Pito O Te Henua, ein runder Stein am Pazifik, an dem wir mana sammeln, Kraft. Der Stein ist warm und auch wenn es esoterisch klingen mag, es herrscht ein Frieden an diesem Ort, der sich leicht aufs Innere überträgt. Mit aufgelegten Händen sitzen wir hier und vergessen die Zeit, bis eine Gruppe Chilenen kommt und uns mit ironischen Blicken verscheucht. Aber wir warten noch einmal, bis sie wieder verschwunden sind und der Frieden zurückgekehrt ist. Ein paar Kilometer weiter liegt der Anakena-Strand, weißer Sandstrand, ein Palmenwäldchen, moai-Statuen, die Bucht lädt zum Baden ein. Und das tun wir auch ausgiebig, das Pazifikwasser ist wärmer als erwartet und damit perfekt für diesen luftigen Tag. Wir plätschern dahin, paddeln, schwimmen, lassen uns treiben. Herrlich.
Da
der Mensch ein Gewohnheitstier ist und die michelada einfach sehr gut dort
geschmeckt hat, laufen wir später noch einmal zum Te Moana und genießen das
Rauchen der nächtlichen tief-schwarzen Wellen. Um uns scharen sich die Kellner,
viel los scheint nicht zu sein. Mit Felipe kommen wir ins Gespräch, er ist vor
anderthalb Jahren wegen seiner großen Liebe auf die Insel gekommen, welche
mittlerweile allerdings erloschen ist. Die Geschichten der Festlandchilenen
ähneln sich, Gestrandete aus einem anderen Leben, die auf Rapa Nui das einfache
Leben für sich entdeckt haben und anscheinend auch recht gutes Marihuana
anbauen. Erst wollen wir zu einer Inselparty, doch die Müdigkeit übermannt mich
fast. Wir schauen am Veranstaltungsort vorbei, setzen uns auf eine der dunklen
Bänke und sehen, wer so alles hineingeht. So richtig verlockend ist es nicht,
also bleiben wir weiterhin draußen sitzen. Irgendwann traut sich ein junger
Insulaner zu uns, erzählt uns, dass er der König der Insel sei, er das
schnellste Pferd namens Pegasus besäße, Sänger und Surfer sei,... Nach einem
zweiten Annäherungsversuch seinerseits verabschieden wir uns und laufen zurück
zum Hostel. Kurz bevor wir schlafen gehen, meldet sich Felipe und wir ziehen
doch noch einmal los...
Wir kommen
zwar erst sehr spät im Bett, und doch schaffen wir es zum sonntäglichen Gottesdienst
in der einzigen Kirche der Insel. Um 9 Uhr versammeln sich hier Einwohner und
Touristen, das Gebäude platzt beinahe aus allen Nähten, auch wir stehen im
hinteren Teil, verfolgen den Trubel und unser Blicke bleiben vor allem an den
kleinen herumtollenden Kindern hängen. Im Wechsel wird auf Spanisch gebetet und
auf Rapa Nui gesungen, anstatt in die Orgeltasten zu hauen, zupft und trommelt
die ältere Belegung an ihren Klampfen oder auf ihren Trommeln herum. Geräuschig
bunt. Sehr anders, irgendwie befremdlich dieser Synkretismus. Wir geben das
Auto ab und wandern dann auf eigene Faust von Hanga Roa aus in Richtung Norden.
Nicht nur in der Kirche, sondern ebenso auf dem Friedhof mit Meeresblick mischt
sich Inselkult(ur) mit christlichem Glauben.
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| Grab auf dem Inselfriedhof |
Immer
an der Küste entlang, den Weg lassen wir schnell rechts liegen und schnuppern
zumindest so ein wenig Abenteuerluft. Zerklüftete Felsen, es geht steil hinab,
das wilde Gras weht im Küstenwind, einsame Korallenbäume tupfen
rot-orangefarbene Kleckse in die Landschaft und Flechte und Moose zeichnen ihre
ganz eigenen Malereien auf das Vulkangestein. Als wir nach
Pferdebekanntschaften irgendwann wieder auf einen befestigten Weg stoßen, hält
neben uns ein Auto, dessen Fahrer uns bestätigt, dass es zu unserem Ziel nicht
mehr weit ist: Wir wollen die Ana Kagenga sehen. Der Höhleneingang ist so
versteckt, dass wir ihn ohne die Hilfe der Chilenen wohl niemals gefunden
hätten und uns wahrscheinlich auch nicht hinab getraut hätten. Ein Loch im
Boden, mehr ist da nicht. Es ist eng und stockdunkel, wir lassen das Tageslicht
hinter uns, eine Hand immer am Kopf, damit wir uns nicht stoßen. Langsam weicht
das mulmige Gefühl und auch im Inneren der Vulkaninsel wird es geräumiger, wir
können aufrecht stehen. Rechts und links vor uns öffnen sich zwei Fenster mit
Blick auf den wilden Pazifik, daher der Namenszusatz „Zwei-Fenster-Höhle“. Raus
geht es deutlich schneller als rein und unverletzt stehen wir wieder auf der Insel.
Wir sehen dem Wellenspiel noch eine Weile zu, dann wandern wir langsam zurück.
Der letzte Abend und damit die letzte Möglichkeit, den Sonnenuntergang am Ahu
Tahai zu betrachten. Wir schaffen es tatsächlich noch, setzen uns auf eine
Anhöhe, so manch ein Tourist stößt zum Schauspiel dazu, aber auch Insulaner
gesellen sich hier zusammen, spielen Musik, tanzen... Und dann versinkt sie im
Meer: die Osterinselsonne. Die ganzen Tage über war sie nicht so erbarmungslos
wie auf dem Festland, das Licht war angenehmer eher golden als gleißend. Die
Himmelsfarben verwaschen langsam. Später am Abend setzen wir uns noch mit
Felipe an die kleine Bucht, trinken ein Bier mit Wellenklang und starren dann
ewig in den überfluteten Sternenhimmel. Die Milchstraße führt mich zu einer
wohligen Einsamkeit, dieses Gefühl, nur ein winziger Krumen auf der Erde zu
sein. Und doch spüre ich eine innere Freiheit. Ach, wenn wir nur morgen nicht
zurück in diese andere, so hektische Realität müssten. Bleiben. Das wäre etwas.
Doch
der nächste Morgen kommt und mit ihm der Abschied. Noch ein Mangosaft und
einmal Meergucken, dann wartet das Flugzeug auf uns, nun gut, wir warten aufs
Flugzeug. Mit einer Stunde Verspätung verlassen wir Rapa Nui. Iorana.




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