Montag, 23. November 2009

Último día de clase




Halbzeit

Das war es nun also, mein Semester in Kolumbien, ein Fingerschnipsen und schon sind sechzehn Wochen Vorlesungen um, gut, es fehlen noch die Abschlussklausuren, in meinem Fall bedeutet das das Schreiben einiger Hausarbeiten und das war’s dann auch schon. Ein wenig Arbeit steht somit noch an, aber dann. Dann muss ich erst einmal weitersehen…

Und doch war der letzte Tag ein wunderschöner Tag. Keine einzige Wolke am Himmel, die Sonne brennt erbarmungslos nieder. Ein beständiger seichter Wind fährt einem durch die Haare. Das Strahlen der Sonne lässt sich auch in den Gesichtern der Menschen wieder finden.
Ein letztes parcial, ein herzlicher Abschied von Sôniá, meiner Portugiesisch-Lehrerin, eine Einladung zum Kaffeetrinken bei einer anderen Dozentin und dann das lang ersehnte Schwimmbecken. Es ist doch noch was geworden, und das vor dem nächsten Semester. Unglaublich, aber wahr. Aber nicht genug der Unglaublichkeiten. Wie in jedem anderen Schwimmbad muss man auch hier eine Badekappe tragen, nur, dass man diese hier bei seinem ersten Besuch gratis bekommt. Und außer Badebekleidung muss man auch nichts mitbringen. Ein Handtuch bekommt man geliehen, die Seifenspender sind immer gut gefüllt. Da spürt man den Luxus. Außerdem ist es besser im Vornherein zu reservieren, denn es werden pro Bahn höchstens zwei Personen zugelassen. Eine Stunde schwimmen und man fühlt sich wie neugeboren. Und es hat schon was, sich dabei im fünften Stock eines größtenteils gläsernen Gebäudes zu befinden. Die freie Zeit, die ich jetzt habe, werde ich ausgiebig nutzen das etwas zu warme Wasser zu genießen.

Der Mittag oder besser die Mittagssonne lockt mich dann ins Grüne. Unsere Grünfläche, die man nicht überqueren und dennoch betreten darf. In der Nähe vom Bobo ein nettes Plätzchen gefunden, Schuhe aus, Socken aus, Hosenbeine hochgekrempelt, Sonnenbrille aufgesetzt und nen neuen Auster rausgekramt. Das leichte Kitzeln des Rasens, die brennende Hitze auf der Nasenspitze, das laue Lüftchen, das das Ohr streift. Und eine Ruhe, himmlisch. Da kann man fast einschlafen. Aber es gilt ein paar Verabredungen einzuhalten und ja, auch nach vier Monaten hier, bin ich noch immer pünktlich, die anderen allerdings meistens nicht. Also warte ich eine Weile, aber bei dem Wetter, da ist das nicht weiter schlimm… Ein leicht rötliches Ohr hingehalten, zugehört, beratschlagt, dann wieder ein wenig warten auf die nächste Verabredung. Reden, zuhören, sich dem Sonnenbrand auf dem Schienbein bewusst werden, in seiner vegetarischen fajita zwei Stück Fleisch finden und dann ist er auch schon vorbei, der manchmal so lang ersehnte letzte Vorlesungstag.

Und was nehme ich mit? Hhm, da fallen mir so einige Dinge ein. Zu Anfang war ich doch recht geplättet, von der Größe, von dem Angebot und auch von dem, was einem abverlangt wurde. Natürlich macht man sich zunächst zu viel Stress, man muss sich daran gewöhnen, dass alles eben nicht in seiner Muttersprache ist, man muss schnell herausfiltern können, was wichtig ist und was eher zweitrangig. Man muss sich daran gewöhnen seine Dozenten zu duzen oder eben auch „mi amor“ oder „bonita“ beim Kauf eines Kaffees auf dem Campus genannt zu werden (was immer noch besser ist als „reina“ ("Königin") in einem Piercingladen). Man gewöhnt sich an das politische Desinteresse der Studenten der teuersten Privatuni ganz Kolumbiens (während die Studenten der sehr guten Uni Nacional lautstark gegen die Privatisierung kämpfen). Man gewöhnt sich auch schnell an den Luxus, der einem hier geboten wird. Sei es eben der Campus an sich, das neue Sportzentrum, die Betreuung durch die Dozenten auch außerhalb ihrer Sprechzeiten, die Bürokratie, die kein Stück besser ist als die deutsche. Man gewöhnt sich an das außergewöhnliche Wetter, an die morgendlichen Busfahrten (und selbst an den rasanten und auch recht fragwürdigen Fahrstil der Busfahrer, sowie an die winzigen Drehkreuze, durch die man sich durchzwängen muss und an die Klingel zum Anhalten des Busses, die auch gerne mal überhört wird). Man gewöhnt sich selbst an die ganzen Markenklamotten, iPhones, Laptops, Sicherheitskräfte, Polizeipatrouillen, studentische Arbeitskräfte in leuchtend gelben Uniformen, aber man findet auch seine Leute mit denen man über viele Dinge diskutieren kann, viele gute Professoren, die ihre Sache verstehen, viele kritische Geister, Unterstützung und Hilfe.

Und ja, ich muss es alles gar nicht missen, denn jetzt ist es offiziell, ich kann noch ein weiteres Semester dranhängen. Wenn ich also kein Praktikum finde, werde ich ein paar Kurse besuchen bevor ich mich wieder auf den Rückweg mache. Nach Deutschland. Um dann wieder herzukommen. Es ist zwar momentan noch alles sehr vage, aber das wird schon. Ein wenig von der kolumbianischen Mentalität ist doch schon auf mich übergegangen… Reisepläne stehen auch noch nicht fest, nur eine Woche ist bis jetzt verplant. Mitte Dezember geht’s an den Amazonas, mit rosa Delfinen und Piranhas tauchen, sich mit Macheten durch den Urwald schlagen und hoffentlich wieder zurückfinden. Weiße Weihnachten werde ich hoffentlich auch erleben, allerdings weiße heiße Weihnachten. Am Strand, unter Palmen. Und ins neue Jahr rutschen, das weiß ich noch nicht, wo genau. Aber da hier Feuerwerk verboten ist, wird es so oder so ein ziemlich anderer Jahresabschluss werden.

Diese Zeit hier, der Advent, den man hier nicht kennt, ist auch recht anders. Während in Deutschland die ersten Weihnachtsmärkte öffnen, klettern hier Lichter in Form von Eichhörnchen an Palmen empor oder riesige Albino-Stofftier-Mammuts stehen in riesigen Haufen von Styroporkügelchen in Einkaufszentren. So wird die Weihnachtszeit hier eingeläutet. In einer Woche ist dann auch schon der erste Advent, mal sehen, ob ich eine Kerze anzünde…

1 Kommentar:

  1. My dearest, es ist doch interessant und skurril zugleich, wie man Weihnachten oder die weihnachtliche Stimmung in anderen Ländern erlebt...
    Und glaube mir, ich beneide Dich um die Wärme, die Dir an Weihnachten und Silvester zu Füßen liegt! ;-)
    Aber my dear, mit Piranhas tauchen... hmmm, hältst Du das für ne gute Idee? ;-)
    Ich drück Dich,
    Tine

    AntwortenLöschen