Montag, 9. November 2009

Una semana en retrospección

Der Regen ist zurück… Oder war er jemals wirklich fort…

Ja, so ist es, ein Tag ohne Regen, der ist selten in diesen Tagen, aber, wenn man ihm entgegenlacht, dem Regen, dann ist alles halb so schlimm. Wenn man über die Pfützen springt und sich durch die reißenden Stromschnellen wagt, in die sich die Straßen verwandeln. Morgens scheint dann alles wieder ganz normal, so, als sei überhaupt nichts, ja, rein gar nichts, gewesen… Es ist nicht kalt, nicht warm, zu den üblichen Telefonat-Verkäufern gesellen sich Männer und Frauen, die Schirme (für Regen UND Sonne) verkaufen, die Stimmung ist nicht unbedingt auf dem Hochpunkt, aber auch nicht auf dem Tiefpunkt. Es ist November, auch hier ist dieser ein Monat ein wenig grauer als die anderen und auch hier beginnt der Weihnachtswahn, man kann ihm einfach nicht entrinnen. Wie schon öfters mal erwähnt, hier gibt es Straßen, in denen sich Geschäfte an Geschäfte reihen, in denen man die gleichen Dinge erwerben kann. So gibt es auch Straßen aus deren Geschäften Weihnachtslieder tönen, in deren Schaufenstern Weihnachtskugeln angepriesen werden und in denen es vor allem vor künstlichen Weihnachtsbäumen nur so strotzt; aber auch wunderhübsche geschmückte rote Plastikpalmen läuten das nahende und sehr andere Weihnachtsfest ein… Die Spannung steigt, aber die Kälte fehlt, das graue triste Gefühl des nebligen Novembers, die ins Bett gekuschelten Abende, die Teekanne auf dem Stövchen, der Kerzenschimmer, einmal Jahreszeiten, immer Jahreszeiten, zumindest im Kopf. Und dann wiederum freue ich mich über Sonnenbrand im November, der mich an eine wunderbare Reise erinnert, die ich im letzten Jahr machen durfte, eine große Stadt, ein anderer Kontinent und eine einmalige Freundin…

Und ein wenig herbstlich habe ich es mir heute ebenfalls gemacht: ein ausladendes typisches deutsches Essen mit eingeladenen Freunden. Möhren-Kürbissuppe mit Champion-Einlage und selbst gebackenem Brot (das trotz des Anwärmens des Mehls nicht so geworden ist, wie es werden sollte, Trockenhefe ist nun mal nicht das Gelbe vom Ei), Kartoffelpuffer mit Apfelkompott (das Apfelmus nun ja, auch nicht so wie gewohnt) und Lachs (der eigentlich gebeizt werden sollte, aber wofür die Zeit nicht da war), Rotwein-Birnen mit Schoko-Zimt-Soße an Vanille-Eis (was eher ein Zimt-Rum-Vanille-Eis geworden ist, da man hier einfach keine Vanilleschoten findet). Und Wein, ein Montepulcciano, deutscher Wein ist hier schwer zu kriegen, also eben einer eines Nachbarlandes. Und trotz der ganzen Abwandlungen, Missgeschicke oder wie auch immer man es nennen mag: ein voller Erfolg und, schwups, fühlt man sich ein wenig herbstlicher als vorher. Und das schöne ist, den Abwasch erledigt der männliche Part, das nenne ich gute Arbeitsteilung. Da ist man auch gerne mal die Frau am Herd (vor allem, wenn einem auch lästige Dinge wie Kartoffeln schälen oder Zwiebeln schneiden abgenommen werden).

Das war also der Sonntag. Die Woche umgedreht.
Der Samstag war zunächst ein wenig stressig. Einkaufen für das sonntagliche Mahl. Schreiben eines Aufsatzes. Aufräumen der Wohnung. Und wirklich nachgelassen hat der Stress später auch nicht. Die Verabredung mit Luz, nunja, wenn Kolumbianer sagen, dass sie bis um eins arbeiten müssen, dann meinen sie eigentlich zwei, wenn sie sagen, dass die Haltestelle fünf Minuten entfernt ist, meinen sie eigentlich zehn, so ist das hier. Aber immerhin, die Pakete, die mir meine Eltern vor etwa drei Monaten geschickt haben, sind angekommen, jetzt, wo ich das vergessene Wörterbuch nicht mehr benötige. Und doch habe ich mich nie so gefreut über Dinge wie selbst gestrickte Wollsocken und man mag es kaum glauben, eine Brotbackmischung. Mit zwei schweren Paketen musste ich dann in Richtung Deutsch-Unterricht, das Geld regnet schließlich nicht vom Himmel und auch wenn es hier mehr Esel auf den Straßen gibt als in Deutschland, einen Gold scheißenden habe ich noch nicht gefunden. Zwei Stunden, allein. Nach Hause, die Müdigkeit kriecht mir schon in die Augen, aber ein paar Vorbereitungen stehen noch an: das Eis und die Birnen. Also erstmal die leicht zu erledigende Aufgabe: Birnen schälen, entkernen, Topf raus, Birnen rein, Wein drüber, Zucker drunter, Zimt hinzu, auf den Herd damit und köcheln lassen. Dann der schwierigere Teil: eine Viertel Stunde Eiweiß mit der Gabel steif schlagen (als Mann fällt einem das vielleicht leichter, ich weiß es nicht), danach Eigelb mit Zucker schaumig schlagen (mein Arm ist mindestens genauso steif wie das Eiweiß), die Sahne wird geschüttelt (nicht gerührt), alles zusammen gemischt, Vanille-Essenz drunterheben und ab in den Gefrierschrank mit der Eismasse und ab mit mir ins Bett.

Der Freitag war ausgesprochen angenehm und erholsam, denn er begann mit einem Schwimmbecken, nicht in meinen Träumen, sondern wirklich, eine ganze Bahn für mich ganz alleine, eine gute Freundin hat mich überredet morgens um sechs aufzustehen, um sie zum Schwimmen zu begleiten. Wie gut das tut, Wasser zu spüren, nur diese nervigen Badekappen, die noch nicht einmal wirkliche Badekappen sind, sondern eher Badehauben, die man schleunigst verliert, wenn man vernünftig schwimmt. Aber egal. Wasser. Ich. Glücklich. No necesito nada más. (Ja, es tut mir Leid, mein Deutsch schwindet dahin und in meinen Hirnwindungen setzen sich kolumbianische Modismen fest.) Ausgeruht und wohlig geht es zur Uni. DA wir im Stau stehen, komme ich zu spät, lasse mich dazu hinreißen die morgendliche Sonne im Grünen der Uni zu genießen, gehe zu meiner Vorlesung, und danach ein vegetarisches Restaurant, mitten im Herzen Bogotás, ich will es kaum glauben, da steht es vor mir, drei Gänge zur Auswahl und wieder etwas Neues gelernt: Man isst hier Suppe mit Banane, als Einlage halt, und nach den ersten Zweifeln bin ich vollends überzeugt. Vieles ist bekannt, aber man lernt doch immer wieder dazu. Und ich finde Tofu, guten Tofu, wirklich guten Tofu. Den Nachmittag verbringe ich mit einer guten Freundin, Nina, wir reden und reden und reden und es tut uns beiden gut. Dieser Tag auf einer Skala der Zufriedenheit, unbeschreiblich schön. Und nach dem untätigen Donnerstag und dem Desaster des Mittwochs.

Der Donnerstag bringt eine Absage eines gemeinsamen Mittagessens mit einer Freundin mit sich ein allwöchentliches Telefonat nach Hause, nicht mehr und nicht weniger.

Der desaströse Mittwoch. Eine kurze Nacht, manchmal schläft man eben nicht gut, duschen, frühstücken und noch mal kurz nach Mails schauen und da ist sie, die Nachricht, dass die erste Vorlesung ausfällt, gesendet nachts um zwölf, die Stunde Schlaf hat mir gefehlt, vielen Dank an meinen Dozenten… Die Zeit zum Lernen nutzen, eine mündliche Prüfung in Portugiesisch steht an. Ein Uni-Mittwoch, viel zu tun, wie immer. Und dann die benötigten Bücher in der Bibliothek nicht finden. Nachfragen, wo man den neuen Studentenausweis erhält. Ich werde zu einem Gebäude geschickt. Dort warte ich, erhalte die Auskunft, dass gerade Mittag gemacht wird und ich um zwei wiederkommen solle, also ins Zentrum, um eine Konzertkarte zu kaufen (jawohl, das erste große Konzert, das ich hier besuchen werde: Ska-P und Die Toten Hosen, bitte alle mal hübsch neidisch werden, es war auch das einzig Positive dieses Tages), zurück zur Uni, zum Gebäude, warten, eine Viertel Stunde später, ein Kolumbianer drängelt sich vor, dann bin ich an der Reihe, erkläre meine Situation und dann sagt mir der werte Herr, dass jenes Büro nur für Mitarbeiter der Universität zuständig sei, ich müsse in ein anderes Gebäude. Das hebt meine Laune natürlich um einiges, also auf dem Plan suchen, wo sich eben dieses Gebäude befindet, es finden und sich dorthin bewegen, Schlange stehen, erklären und dann erfahren, dass man, um eine neuen Ausweis zu bekommen, 18500 Pesos auf das Konto einer Bank einzahlen muss, nein, in bar kann man den nicht bezahlen. Entnervt will ich mich auf den Nachhauseweg machen, sehe kurz vorm Einsteigen in den Bus, dass man nur in einer bestimmten Filiale bezahlen kann, mache kehrt, suche, finde, stelle mich an, warte, fülle ein Formular aus, zahle das Geld ein und trete hinaus an die frische Luft. Und ja, drei Schritte entfernt von der Bank, da beginnt es zu schütten und nicht nur das, es hagelt, es fühlt sich an wie im Film, da unterstützt das Wetter ja auch immer die Gefühlslage. Ich bin scheinbar die einzige unterwegs auf den Straßen, betrete wie ein begossener Pudel erneut die Uni, um meinen Beleg einzureichen, werde gefragt, ob ich denn eine Kopie meines Visums dabei hätte, natürlich, immer, genauso wie eine Kopie meines Abschlusszeugnisses, diese Dinge hat man ja immer bei sich. Nicht. Montag könne ich den Ausweis abholen, aber nur, wenn ich auch Ausweis und Kopie des Visums vorlegen würde. Danach ein kleiner Streit mit einer Freundin. Es kann nur noch besser werden. Und das wird es glücklicherweise auch. Eine Oper an der Uni Nacional, sehr gut umgesetzt und schöne Elemente. Es ist eben doch nicht alles schlecht, man darf die Hoffnung nie aufgeben.

Der Dienstag, ein normaler freier Tag, an dem ich nicht viel mache, außer lesen, lernen, schreiben.

Und auch der Montag (obwohl mal wieder Feiertag) kann getrost unbeschrieben bleiben.
Das war sie nun, eine Woche im Rückblick. Und die beiden im Vorblick sind meine beiden letzten Wochen, in denen es Vorlesungen gibt. Und dann ist auch schon Halbzeit. Vier Monate. In einem mir mittlerweile nicht mehr ganz so fremden Land. Und die Pläne in meinem Kopf wachsen weiter, ich werde zurückkehren. Nach Deutschland, aber ebenso nach Kolumbien. Mit Sicherheit.

1 Kommentar:

  1. Gruesse aus Madagascar! Zu deiner Klage ueber Vanillemangel kann ich nur sagen, dass es alles hier ist. Bis zum Punkt wo drogenabhaengige Franzosen es einem auf der Strasse andrehen. Habe mir jetzt auch einen Novembersonnenbrand eingebrockt, nach zu viel Schwimmen in der grellen Sonne. Morgen geht es ab in den Forest Camp, wo ich bis Ende November ausharren werde und mich bemuehen werde einigermassen sauber zu bleiben.

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