Samstag, 15. Februar 2014

Grelles Sommersonnenlicht


Noch vor Kurzem saß ich im Flugzeug, sah langsam die nächtlichen Lichtkonturen Bogotás unter mir verschwinden, nächtigte kurze Zeit später am neonlichtdurchfluteten Flughafen Limas und stieg nach einem überteuerten, unfreundlich servierten Frühstück in das beflügelte Monstrum in Richtung Santiago de Chile. Fast schon routinemäßig fülle ich den Zollbescheid aus, unterschlage dabei die Riesenameisen in meinem Gepäck, deklariere stattdessen nur Schokolade (bei der Einreise nach Chile muss man alle Produkte, die tierischen oder pflanzlichen Ursprungs sind, angeben) und setze mich in den Bus in Richtung Zentrum. Denn erst einmal bleibe ich diese Woche noch in dieser urbanen Brutstätte. Erstmal unter die Dusche, nachdem ich im Hostel eingecheckt und eine Freundin wiedergetroffen habe. Wegen ihr und der Sommerschule der Heinrich-Böll-Stiftung zu Grüner Politik und Nachhaltigkeit fahre ich nicht gleich schnurstracks ins sommertote Concepción. Da die Sommerschule jedoch nur abends stattfindet, streunen wir tagsüber durch die Innenstadt, essen vegetarisch zu Mittag, probieren uns an mote con huesillo, einem erfrischend kalorienhaltigen, aus gekochten Weizenkörnern und dem Kochwasser eines getrockneten Pfirsichs bestehenden „Getränk“, suchen das Kulturzentrum La Moneda und flüchten bei jeder Gelegenheit in den Schatten. Eigentlich sollte Marie, meine französische Mitbewohnerin, noch zu uns stoßen, doch irgendwie meldet sie sich nicht. Abends erfahren wir einiges über Wind- und Solarenergie, Belastung der Natur aufgrund der unterschiedlichen Industriezweige Chiles, Klimaerwärmung und ihre möglichen Auswirkungen,… Endlich ist der Kopf mal wieder gefordert, teils auch aufgrund der Hitze und der Uhrzeit nicht einzuschlafen, doch vor allem aufgrund der meist interessanten Vorträge und Diskussionen. Es ist eine spannende Woche, was wohl auch an der gemeinsamen Zeit mit Rita liegt. Vielleicht steht sie aber auch nur im krassen Kontrast zu den drei darauffolgenden Wochen. Um mir die Miete für den Januar zu sparen, bleibe ich eine Woche lang bei einer guten Freundin in Chiguayante, etwa 20 Minuten Busfahrt von Concepción entfernt. Und noch einmal bin ich Teil einer kleinen, sehr besonderen Familie. Die Zeit zieht langsam vorbei, manchmal in seichten Luftstößen durch all die geöffneten Fenster, dann wiederum vor endlosen Filmtiraden. Mit jedem Tag des Nichtstuns werde ich unruhiger.

Mittlerweile sitze ich wieder in meinem malvenfarbenen Zimmer und flüchte vor der Hitze, tagsüber ist kaum daran zu denken, vor die Haustür zu treten. Erst wenn die Sonne vom grellen Sommerhimmel verschwunden ist und sich plötzlich die erste herbstliche Kälte bemerkbar ist, schleiche ich aus meinem Schneckenhaus und suche den Wind, der mir durch die Haare fährt.


Irgendwohin sind die vergangenen drei Wochen tatsächlich verschwunden, plötzlich ist der Valentinstag da, und plötzlich sind auch wieder alle Parks und Grünflächen von knutschenden Pärchen übersät, oftmals noch mit kitschig-pinkfarbenen Herzluftballons mit der Aufschrift „I love you“ in der Hand. Ich freue mich über mein Valentinstagsdate: Rita. Gemeinsam kochen und schnacken. Bevor ich mich morgen auf Reisen mache, denn das erste Mal bekomme ich Besuch hier weit weg von Zuhause. Mein Bruder sitzt bereits im Flieger und schwirrt irgendwo über dem Atlantik herum. Es stehen an: ein paar Tage Santiago, Patagonien, Feuerland, ergo ans Ende der Welt reisen und auf dem Rückweg noch ein paar verwegene Fleckchen Chiles mitnehmen, um dann gerade so zu Semesterbeginn wieder im guten alten Concepción zu sein. Ein Glück, dass ich meinen Geburtstag doch bei winterlichen Temperaturen feiern werden kann. ¡Hasta luego!

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