Montag, 28. September 2009

Diferencias y puntos en común

Unterschiede und Gemeinsamkeiten



Kolumbien – Deutschland, viele denken wohl: Gemeinsamkeiten, gibt es die wirklich? Ein Land, das so sehr vom Drogenexport, von falscher Politik, von Guerilla und Paramilitär abhängig ist oder beeinflusst wird. Und wir, als Deutsche sollen Gemeinsamkeiten haben, mit Menschen, die ein ganz anderes Leben führen? Sicherlich, die Unterschiede überwiegen, aber hier und da tun sich auch Gemeinsamkeiten auf.

Allerdings nicht beim Verkehr, ich besitze zwar einen Führerschein, aber fahren will ich hier nicht, es gibt weder Leitplanken (auch nicht in den felsigeren Geländen, wo der Abgrund einem ins Gesicht springt), noch Fahrbahnmarkierungen, die Straßenlichter sind um einiges orangefarbener, es gibt so gut wie keine Ampeln (und wenn dann kümmert es niemanden, hier kann man auch getrost bei Rot über die Ampel gehen oder eben fahren), auch Zebrastreifen machen sich rar. Allerdings ist es hier unglaublich teuer sich ein Auto anzuschaffen, und der Sprit, und doch lassen sich mehr Personen in dem gleichen Auto befördern als in Deutschland, man quetscht sich durchaus zu neunt in einen Fünfsitzer. Sicherheitsgurte gibt es nur für den Fahrer und den Beifahrer. Umweltplaketten würden hier wohl alle rot sein, denn neu sind die meisten Wagen nicht. Kreisel sind hier beliebt, genau wie in Deutschland. Und Baustellen, unglaublich viele Baustellen, Straßen werden aufgerissen, sonntags wird auch hier auf den Baustellen nicht gearbeitet.



Öffentliche Verkehrsmittel sind überfüllt, vor allem zur hora pica, die Menschen lassen weder ein- noch aussteigen. Wenn es nicht gerade einen Transmilenio oder eine Metro gibt, dann nutzt man die Busse, die man heranwinken muss. Diese fahren und halten, wie die Busfahrer lustig sind. Dafür sind die großen Überlandbusse, mit denen man unglaublich günstig reisen kann, akklimatisiert, es gibt Filme zu sehen und Beinfreiheit. Taxis (oder auch die „gelben Knutschkugeln“) sollte man lieber per Telefon ordern, vor allem abends und nachts. So viel zu den Straßen. Die Fußwege werden gesäumt von Straßenverkäufern, viele haben kleine Wägelchen, man kann einzelne Zigaretten kaufen (was hier durchaus üblich ist) oder Päckchen mit sechs Zigaretten, einzeln verpackte Kaugummis, Süßigkeiten, von denen man nicht weiß, was sie beinhalten und vor allem llamadas. Man hört sie von überall her rufen: „jammadasjammadasjammadas“ Es werden Telefongespräche verkauft, denn die meisten Menschen hier besitzen zwar ein Handy, aber eher selten einen Vertrag, sondern nur eine Prepaid-Karte, und Telefonate zu unterschiedlichen Anbietern sind schweineteuer, also verdienen sich viele Menschen ihren Unterhalt, indem sie ihre minutos verticken. Auch sonst kann man alles mögliche auf der Straße erwerben: Filme, Musik, USB-Sticks, Schmuck, Mützen, Handschuhe, Gürtel, Kleidung, Schuhe, alles, was das Herz begehrt (nur beim Exportieren sollte man vorsichtig sein, Plagiate und so) und natürlich Essen, reichhaltig, an jeder Ecke findet man eine ältere Dame, die ihren Grill vor sich aufgebaut hat und Fleischspieße oder Maiskolben für wenig Geld anbietet.


Gleich daneben befindet sich ein Stand mit obleas, die mit arequipe, Marmelade, gesüßter Kondensmilch und Käse bestreut werden,



auch arepas und empanadas lassen sich im Straßenverkauf finden. Und natürlich nicht zuletzte Obst und Gemüse, nicht selten sieht man einen Karren voll beladen mit Avocados oder Kokosnüssen… Oft muss man auch den Angestellten der vielen kleinen und großen Restaurants entweichen, die einen gerade zu hineinzerren in ihre Läden, damit man Geld fürs gute Essen bei ihnen lässt.
Womit wir beim nächsten Thema wären: das Essen. Ein typisches kolumbianisches Mittagessen beinhaltet eine Suppe (meist Kartoffeln, Reis, ein wenig Gemüse), gefolgt von Fleisch (Rind oder Hühnchen) mit Reis, patacones (gebratene Kochbanane), eventuell einem Salätchen und dazu frischen Saft (lulo, Brombeere, Maracuja, Banane, etc.) entweder en agua (also mit Wasser hergestellt) oder en leche (also mit Milch). Durchschnittlich bezahlt man für ein solch reichhaltiges (wenn auch gemüsearmes) Essen 5,000 COP. Danach einen tinto und man ist gesättigt für den Rest des Tages. Man kann natürlich auch viel schnelles Essen erwerben, aber Ketten wie McDonalds und DunkinDonuts haben hier noch nicht überhand genommen. Fazit: Wo es an Gemüse hier fehlt, das Obstangebot übertrifft das deutsche um hundertfaches. Fleisch steht genau wie in Deutschland mit an oberster Stelle. Auch Brot (allerdings ist das mit dem „Brot“ so ne Sache) gibt es hier in Massen. Und die Bäckereien sind gar nicht schlecht, was den ganzen Süßkram angeht. So wie die Konditoreien in Deutschland (nur zu günstigeren Preisen). Milhojas zum Beispiel, Blätterteiglagen, dazwischen verschiedene Cremes und obendrauf arequipe, kann man nicht immer essen, aber ab und an. Und der Kaffee, natürlich, der kolumbianische Kaffee ist einer der weltbesten, und auch wenn der von Spitzenqualität nur exportiert wird, der „zweitbeste“ schmeckt trotzdem sehr gut. Und das Bier, nicht zu vergessen, da die Deutschen natürlich die Weltmeister im Bierbrauen sind. Gut, es gibt hier kein Reinheitsgebot und auch keine Inhaltsangaben auf den Flaschen und Dosen (denn hier gibt es eine Menge Dosen). Man mag es kaum glauben, aber es schmeckt. Das bekannteste ist das aguila (was Adler bedeutet), leicht säuerlich und mild, so wie eigentlich alle anderen vier Sorten. Es gibt leider kaum eine herbere Variante und wenn doch, habe ich sie noch nicht finden können. Ansonsten, aguardiente (Anisschnaps oft mit Zucker, dadurch ist es unglaublich einfach anhand von einigen Schlucken sich auf Tischen tanzend zu befinden), den kolumbianische Rum darf man nicht zu vergessen zu erwähnen, die Flasche in der Hand schwenkend, da fühlt man sich gleich ein wenig wie Captain Jack Sparrow… Ausgehen, das ist hier auch anders. Man sollte sich gegen acht Uhr abends auf den Weg machen, denn nachts um zwei ist alles wie ausgestorben, auch am Wochenende. ¿Qué más?
Der größte Unterschied liegt wohl in der Sprache. Offensichtlich, nicht wahr? Mit Englisch kommt man nicht wirklich weit, außerhalb der Universität gibt es kaum Menschen, die eine Fremdsprache beherrschen. Das Bildungssystem, deutlich anders. Es gibt mehr Privatschulen als öffentliche (sowohl Schulen als auch Universitäten), aber zum Bildungssystem habe ich mich schon ausgelassen. Nun denn, sagen wir, es gibt große Unterschiede. Aber was die Sprache betrifft, Dialekte gibt es hier wie Sand am Meer. So wie man die Nordlichter nur schwer verstehen kann (oder erst die Schwaben oder Bayern), so ist es hier mit den costeños (Menschen, die an der Küste leben) oder paisas (aus der Region rund um Medellín). Das beste kolumbianische Spanisch wird von den rolos (den Bogotanern) gesprochen. Wie gut, dass ich mich den Großteil meines Lebens in dialektfreien Städten befunden habe;) Da lernt man zu sprechen, wie andere nur schreiben können… Und doch, viel Straßenspanisch hat sich mittlerweile in meinen Sprachgebrauch eingeschlichen. Hier nennt man sich fröhlich „Schwuchtel“ oder „Chinese“, ohne irgendwie rassistisch, verletzend oder sonst irgendein Gefühl auszulösen. Niemand fühlt sich angegriffen, und doch empfinde ich es manchmal als seltsam mit marica angesprochen zu werden. Die Menschen hier sind anders, offener, hilfsbereiter, wenn auch manchmal ein wenig oberflächlich (aber auch in Deutschland wollen die wenigsten wissen, wie es einem WIRKLICH geht, wenn man sie fragt), und doch freuen sie sich ihr Land präsentieren zu können, einem die schönen Seiten zu zeigen. Und tanzen können sie, bis jetzt habe ich noch keinen Kolumbianer getroffen, der nicht seine Hüfte gekonnt einsetzen kann. Da sollten sich der ein oder andere mal ne Scheibe abschneiden.
Es gibt auch eine Menge Grünflächen, Kolumbien ist etwa dreimal so groß wie Deutschland und doch beherbergt es nur halb so viele Menschen wie Deutschland, was wohl unter anderem auch daran liegt, dass der Großteil unbewohnbar ist. Ein Land, in dem man alles finden kann: Schnee (wirklicher und nun mal auch unwirklicher Schnee, verschweigen kann man und sollte man es wohl nicht), Strand, Atlantik- und Pazifikküste, Urwälder, Flüsse, Wasserfälle, Wüste, einfach alles.



Anfangs dachte ich, ich würde halluzinieren oder es mir einfach nur einbilden, aber nein, eines steht fest: Die Wolken sind anders, ganz anders, davon lasse ich mich nicht abbringen, sie sind sogar unbeschreiblich anders, plastischer, schöner, impulsiver… Wenn ich die Wolken hier betrachte, lassen sich keine Bilder erkennen, sondern ganze Kunstwerke, selbst die großen schweren grauen Wolken tragen etwas mit sich, das sie wunderschön werden lässt.
Aber zu anderen Gemeinsamkeiten: die Bürokratie. Ohja, man mag es nicht für möglich halten, aber der Papierkram ist hier mindestens genauso schlimm wie in Deutschland, nur dass man in Deutschland sicher sein kann, dass nichts auf dem Postwege verschollen geht. So wie wahrscheinlich mein Wahlzettel, angesichts des Wahlergebnisses. Nun denn, ich bin Bürgerin einer Demokratie, da muss ich es wohl akzeptieren, auch wenn mir das sehr schwer fällt. Konservative und Liberale. Das wäre hier in Kolumbien wohl nicht möglich. Dieser Sonntag war auch hier Wahlsonntag, zwar wurde nicht der Präsident gewählt (der die Verfassung zu seinen Gunsten erneut verändern will, um seine zweite Wiederwahl zu ermöglichen), sondern nur die Präsidentschaftskandidaten, und doch kann man an solch einem Tag keinen Alkohol erwerben, nirgends. (Genauso wie nachts zwischen drei und zehn Uhr morgens.) Wenn’s hilft.



Wie gesagt, mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten und wahrscheinlich ist es gerade das, weshalb es mich hierher zieht… Mal was anderes erleben, die Wäsche eben mit kaltem Wasser waschen, verdutzte Gesichter sehen, wenn man eine Spülmaschine beschreibt, ungläubig angeschaut werden, wenn man erwähnt, dass man sieben Sprachen spricht (wohlgemerkt nicht beherrscht), sich daran gewöhnen zu spät zu kommen (und damit meine ich nicht etwa fünfzehn Minuten, sondern durchaus eine ganze Stunde), alles ein wenig lockerer zu sehen und doch hart zu arbeiten für seine Ziele, denn eine Absicherung gibt es hier kaum (weder im Gesundheitswesen, noch eine Arbeitslosenversicherung), auch die Schichtzugehörigkeit ist hier offensichtlich, es ist schwierig, wenn man aus dem Süden kommt, den gleichen Stand in der Gesellschaft zu erlangen, wie die Reichen aus dem Norden. Das Leben ist hier anders, das Zeitgefühl, das Raumgefühl, und doch, die Routine ist die gleiche. Viva Colombia! Mit allen Sonnen- und Schattenseiten…

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