Eine Woche voller Filme, Viren und Kälte und natürlich Gedanken über das Alter
Reisen ist was Schönes. Aber es geht immer so schnell vorbei, mehr als eine Woche ist die Rückkehr schon wieder her. Unglaublich wie die Zeit rast. Die nächsten Reisen sind teilweise schon gebucht, geplant oder zumindest in meinem Kopf. Aber es geht im Leben ja nicht nur ums Reisen (in meinem hoffentlich doch)…
Also wieder zurück in Bogotá. Irgendwas muss passiert sein. Das Schlafen fällt mir schwer. Sehr schwer. Mein Körper weigert sich, vielleicht sehnt er sich nach den durchgeschwitzten Nächten, nicht aufgrund körperlicher Anstrengung, sondern wegen wesentlich anderem Klima. Vielleicht ist es auch einfach mal an der Zeit ein bisschen zu kränkeln. Wie passend ein neues Jahr so zu beginnen. Aber ich wär ja nicht ich, wenn ich meinem Körper sonderlich viel Beachtung schenken würde. Nun gut, ein wenig schon. Viel hab ich ja auch nicht zu tun, zumindest lege ich mir gerade alles ein wenig so wie es mir eben passt.
Die letzten anderthalb Wochen habe ich deswegen damit verbracht die Gegend ein wenig zu Fuß zu erkunden, der halbstündige Spaziergang zur Uni ist mittlerweile beinahe alltäglich. Auch zur Uni Nacional laufe ich, ein wenig weiter, aber solange die Sonne ein wenig scheint, oder es zumindest nicht schüttet, ist so ein kleiner Fußmarsch nicht schlecht. Was mir dabei immer wieder auffällt und was mich noch immer verwundert, ist, dass die Kolumbianer unglaublich langsam und platzeinnehmend vor sich her schlendern. Befinde ich mich nicht in einer Großstadt. Seltsam. Und manchmal anstrengend. Kurz vorm Überholen kommt einem doch jemand entgegen, ausweichen, abbremsen, stolpern… Nun gut, ein wenig europäisch bin ich doch noch.
Kolumbien kriegt mich jedoch noch, ich spüre es schon jetzt. Am Freitag zum Beispiel, da brach auf einmal die „Kälte“ hier aus. Genau, Kälte in Anführungszeichen, denn ich sage ja selbst immer jedem hier, der über Kälte stöhnt, dass diese Person nicht weiß, wie sich Kälte, also richtige Kälte anfühlt. Das erste Mal seit sieben Monaten, dass ich gefroren habe. Richtig gefroren; meine Wollsocken rausgekramt, Tee aufgesetzt, zwei Pullover, mich in meine Decken gekuschelt. Es hat nichts gebracht. Und das bei zehn Grad Außentemperatur. Würde ich es nicht selbst erlebt haben, würde ich jetzt lachen oder schmunzeln, wie es so einige Leser wohl gerade just in diesem Moment tun werden.
Realität. Frieren. Bibbern. Zähneklappern. Und es wurde nicht besser. Vielleicht eine heiße Dusche. Guter Plan. Nicht. Denn einmal alle Sachen vom Leib, Wasserhahn aufgedreht, es dauert immer eine kurze Weile, aber dann, dann gibt’s heißes Wasser. Normalerweise. Ich stand schon halb drunter, als mir bewusst wurde, nein, heute nicht. Es wird einfach nicht warm, die Zähne schlagen aufeinander, das Wasser bleibt kalt.
Wie ich die Nacht durchgestanden habe, ich weiß es nicht, wenig Schlaf, viel Kälte. Und der Samstag war nicht besser. Und am Sonntag gab es dann plötzlich wieder warmes Wasser und die Sonne hat mir gleich wieder einen Sonnenbrand verpasst. Das Wetter hier ist schlimmer als unser Aprilwetter, das kann ich mit Sicherheit sagen. Eine halbe Stunde tratschend im Park gesessen und schon ein hübsches rotes Dekolleté.
Frischer O-Saft, Grasflecken am Hintern, ein Film im Museum für Moderne Kunst, in dem es stark nach Urin duftet, also im alternden Kino-Saal, aber dafür sind es gute Filme und der Eintritt ist unschlagbar, ein Spaziergang über den Flohmarkt, weiter über eine der Hauptstraßen, hin zu einer der größten Bibliotheken, ein Kaffee und weitere Gespräche, viele interessante Aspekte. So darf ein Sonntag sein. Ein letzter Sonntag bevor es Altwerden heißt.
Der Montag, ja der Montag, wenn ich diesen Tag bewerten sollte, mit einer Note (des deutschen Notensystems), es war eine sechs, nein, eine fünf minus.
Der Morgen begann nach zwei Stunden Schlaf. Erbrechen, Appetitlosigkeit. Das Alter rückt also näher. So fühlt es sich also an…
So ziemlich nichts gemacht, den Tag über. Gereizt, Geschwächt und dann. Der erste verfrühte Geburtstagsgruß. Und das von meinem besten Freund hier. Da war ich irgendwie enttäuscht. Ein wenig. Aber nun gut, vielleicht überreagiert. Der Rest des Tages, da verlier ich lieber einfach kein Wort drüber.
Nur musste ich mir überlegen, wann ich eigentlich genau älter wurde, wann ändert sich die Zahl, wenn man sich in einer anderen Zeitzone als zu seiner Geburt befindet. Genau genommen, wäre das doch eigentlich der 23. Februar deutscher Zeit gewesen, also erst sechs Stunden nachdem hier dieser Tag eingeläutet wurde. Oder ich konnte auch einfach beides ausnutzen. 30 Stunden Geburtstag. Wie wär’s damit. Ich habe sie auch fast komplett ausgenutzt.
Jetzt ist es also so weit und ich bin wieder ein Jahr älter. Fühlt sich noch immer nicht anders an. Wird es wahrscheinlich auch nicht. Das kommt ja schleichend, das Alter…
Und doch, der erste Geburtstag weit, weit weg, ist anders, ziemlich anders. Weihnachten ging noch, weil ich die Tage bei einer kolumbianischen Familie verbracht habe. Sylvester sowieso. Aber der eigene Geburtstag. Niemand da, der einem morgens ein Ständchen singt, kein Geburtstagskuchen, niemand, der mit mir anstößt. Selbst mein Mitbewohner musste früh raus, Uni. So war ich also den ganzen Vormittag alleine. Nun gut, nicht wirklich. Physisch schon, virtuell nicht, Gelobt sei das Internet.
Es gab schöne Überraschungen, Menschen, die an mich gedacht haben, sogar Post von meinen beiden Großeltern gab es, andere Menschen, von denen ich gedacht hätte, dass sie sich melden… Nun denn, keine Erwartungen haben, das ist wohl das höchste Ziel, so kann man nicht enttäuscht werden.
Und es geht auch. Man kann sich seinen Geburtstag schön gestalten. Morgens eine warme Dusche, wach werden, versuchen, die Augen zu öffnen, der Welt da draußen, der kleinen aber feinen Welt, die einem jeden Tag neue Dinge zeigen will, sich schminken und schönmachen nur für sich selbst. Frühstück… Crêpes, ganz für mich allein, frischer Orangensaft, heiße Schokolade und Sekt, den gönn ich mir heute. Der wird außerdem später zum virtuellen Anstoßen mit meinen Eltern benötigt. Musik. Innere Ruhe. Sich ausbalancieren. Ein neues Jahr. Gut. Damit wird hier und jetzt begonnen.
Fast hätte ich meine Geschenke vergessen und dass, obwohl ich fast drei Wochen leiden musste. Drei Wochen lagen sie verpackt auf meinem Nachttisch. Den Kleber vorsichtig vom Papier lösen, jeden einzelnen Streifen, das Papier auseinander falten, ein kurzer Freudenschrei, selbst wenn ich schon vorher wusste, was sich hinter dem Papier verbarg. Pralinen. Von Cron und Lanz. Die weltbesten. Und ein wunderschönes Halstuch. Wie glücklich und zufrieden man mit Kleinigkeiten sein kann.
Anstoßen, doch noch irgendwie zusammen mit der Familie, selbst von meinem kleinen Bruder gibt es einen kurzen Geburtstagsgruß. Ein Telefonat, ein Ständchen auf Deutsch von einem Kolumbianer, ein wunderschönes Gedicht, das erste, was mir jemals gewidmet wurde, von einer guten Freundin. Und dann ein Telefonat übers Internet, was mich zu Tränen gerührt hat. Zweiundzwanzig Kerzen und ein Lebenslicht, eine wunderschöne Interpretation von „Happy Birthday“ von einem wunderbaren Menschen. Danke an all die Menschen, die an dem mir doch sehr wichtigen Tag an mich gedacht haben. In Deutschland war der Tag schon fast vorbei, hier hatte ich noch Vorlesung, gut, heute bestand sie in einem Museumsbesuch. Gut, dass eine Freundin mit dabei war, wir sind früher gegangen, Kaffee trinken. Übrigens auch seltsam, nicht frierend in der Wohnung sitzen müssen, wie es in Deutschland der Fall gewesen wäre, sondern einen Geburtstagskaffee draußen auf der Terrasse trinken zu können, das hat man als Februarkind nicht sonderlich oft.
Und abends ging es dann noch mal zu Uni, aber, nein, keine Angst, nicht noch eine Vorlesung; sondern nur, um mich mit Enrique zu treffen und um gemeinsam essen zu gehen. Später dann gab es noch eine kleine Überraschung: Zwei kleine Törtchen lagen auf meinem Bett als ich nach Hause kam, mein Mitbewohner hat mich nicht vergessen und ein bisschen Geburtstagskuchen gab es also doch noch.
Danke an alle die, die mir geschrieben haben, die an mich gedacht haben, die irgendwie bei mir waren, die, die trotz der Entfernung teilhaben an meinem Leben. Das war er also mein zweiundzwanzigster Geburtstag. Ruhig und gemütlich. Gefeiert wird ein wenig am Samstag. Morgen wird gekocht…
P.S.: Filmwarnung: Avatar ist so ziemlich der langweiligste Film, den ich je in meinem Leben gesehen habe, und trotz dessen ich mich wirklich angestrengt habe diesem Film etwas Gutes abzugewinnen, ich hab es nicht geschafft.
Filmempfehlung: Etz Lima (Lemon Tree), handelt von dem Konflikt zwischen Israel und Palästina, ohne große Worte, dafür großartige Bilder.
Hallo! Von zehn Grad Außentemperaturen kann man derzeit ja nur träumen. Die letzten Wochen waren in good old Germany richtig kalt, minus zehn bis zwanzig Grad... Jetzt gehts, zum Glück, langsam aufwärts. Aber wenn man wärmeres gewohnt ist, ist es natürlich auch, verständlich, wenn man da friert. Alles eine Sache der Gewöhnung, die Eskimos frieren ja auch nicht ;)
AntwortenLöschenBin gespannt auf deine Bilder!