Von Demokratien und Scheindemokratien
Dieser Eintrag ist ein kurzer, aber sehr wichtiger. Auch ist er im Nachhinein geschrieben, aber das soll ihm nichts von seiner Wichtigkeit nehmen. Ich schreibe diesen Blog zwar hauptsächlich, um euch die schönen Seiten Kolumbiens näher zu bringen, aber nichts desto trotz muss auch die traurige Realität mal benannt werden. Und da kommt man um das Thema Politik nicht vorbei.
Es scheint zwar auch in Deutschland eine Menge zu passieren, sei es der Rücktritt Köhlers und darauffolgende unverständliche Kandidatenvorschläge, wie zum Beispiel der unserer achso volksnahen Frau Ministerin von der Leyen, die immer noch nicht abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfahlen, die für uns (Wahl-)Kölner die Abschaffung der Studiengebühren bedeuten könnten, oder die Verabschiedung des millionenschweren Sparpakets, welches wiederum die Besserverdiener gutstellt, der Vertrauensverlust in unsere Kanzlerin und ihre Regierung, der mich daran zweifeln lässt, ob es wirklich so weitergehen kann. Es passiert also eine Menge. Im Gegensatz zu Kolumbien. Eigentlich geschieht eine Menge, aber nichts führt zu Veränderungen, nur zu Verschlechterung und Enttäuschung.
Die grüne Welle scheint verebbt. Zumindest, wenn man die Wahlergebnisse betrachtet. Es war ein schöner Sonntag, zuerst bin ich mit dem Rad in den Süden gefahren bei herrlichem Sonnenschein, doch langsam aber sicher zog es sich zu, immer grauer und grauer wurde der Himmel. So wie auch die Aussicht auf die politische Zukunft Kolumbiens. Denn aus dem prognostizierten Kopf-an-Kopf-Rennen wurde ein haushoher Sieg für Santos. Er hat nur knapp die absolute Mehrheit verfehlt, die er benötigt hätte, um auf einen Schlag Präsident zu werden. Nun wird ohne sonderlich große Spannung der 20.Juni abgewartet, an dem es zur Stichwahl zwischen Mockus und Santos kommen wird. Das Ergebnis steht jedoch bereits fest. Die Politik Kolumbiens wird sich leider einmal mehr auf die Bekämpfung des „Terrors“ stützen, die Spanne zwischen arm und reich vergrößern, die Bildung außer Acht lassen, der Korruption freien Lauf lassen… Und es scheint so als sei es mal wieder nicht mit rechten Dingen zugegangen bei den Wahlen in der angeblich ältesten Demokratie Lateinamerikas. Viele Stimmen wurden gekauft, Tote und Verschwundene haben gewählt, ebenso Menschen ohne gültigen Ausweis und das Unfassbare: Bei den Auszählungen der Stimmen wurden einfach die Kreuze vertauscht. Und doch passiert nicht viel. Niemand tut etwas dagegen. Die Bewegung im Internet geht weiter. Präsidentschafts-Debatten im Fernsehen. Wahlkampagnen und doch weiß jeder, dass Mockus nur ein Hoffnungsschimmer am fernen Horizont war, der bereits am Verbleichen ist. Aufgrund von Missinterpretationen der gegnerischen Partei wurden ihm oft die Worte im Mund umgedreht, der größte Skandal war wohl als Mockus sich dazu bekannt hat Atheist zu sein. In einem so gläubigen Land wie Kolumbien fatal, denn die Trennung zwischen Staat und Kirche ist fast nicht vorhanden. Natürlich wäre auch der Kandidat der Grünen Partei nicht der beste Präsident, er ist sehr neoliberal eingestellt, und gerade hier muss man vorsichtig sein mit der Politik. Aber besser, umso vieles besser als ein Präsident, der sich selbst widerspricht und verspricht gegen Korruption vorzugehen, die erste Person, die er da anprangern müsste, wäre wohl er selbst.
Viele der jungen Wähler können es noch immer nicht glauben, viele sagen, dass es ohne Hilfe von außerhalb niemals Veränderung geben wird, so langsam glaube ich es auch. Wir haben uns zu sehr auf den guten Willen vieler verlassen und haben dabei vergessen, dass wir in Kolumbien sind. Ein Land, ein wunderschönes Land mit so viel Potential, das noch immer von einer kleinen korrupten Oberschicht regiert wird. Jahr für Jahr verschwinden Menschen, die Zahl der Binnenflüchtlinge ist immens hoch, der Konflikt innerhalb des Landes und der verschiedenen Gruppen – FARC, Paramilitär, Militär, Regierung – ist unüberschaubar und hat an Boden verloren. Meinungsfreiheit existiert so gut wie nicht, con Pressefreiheit ganz zu schweigen, es ist nicht einmal Zensur, vielmehr Auto-Zensur aus Angst den nächsten Morgen aufgrund eines einzigen „falschen“ Satzes nicht zu erleben. Es ist traurig. Traurig mit ansehen zu müssen, dass ein Land, das so viel schaffen könnte, scheinbar niemals aus dem Sog herauskommen wird.
Und doch gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass man die Hoffnung hier nicht aufgibt. Man kann wunderbar hier leben und doch die Vorurteile, die gegen dieses Land stehen und nicht unbegründet sind, bestimmen das Leben oftmals. Die eigene Realität ist nicht so schlimm, denn vieles bekommt man selbst nicht mit… Und vielleicht schaffen wir es in naher Zukunft Veränderungen herbei zu führen.
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