Donnerstag, 31. März 2011

Maldita vida

Das Leben als Journalistin ist schon schrecklich




Ein kleiner Einblick in mein momentanes Leben. Irgendwie ist es ein wenig von heute auf morgen, von Tag zu Tag. Chaotisch, spontan. Sowohl Einladungen als auch Absagen. Man weiß nie genau, was im nächsten Moment passiert, was der nächste Anruf oder das nächste Treffen so bringt. Mein Kalender ist ein einziges Bleistift-Kugelschreiber-Massaker. Aber das ist gut so. Ein Job in einem Büro, morgens um sieben beginnen, damit man um vier Uhr nachtmittags schön nach Hause gehen kann und keinen Gedanken mehr an seine Arbeit zu verschwenden müssen. Das ist wohl nichts für mich.

Es kann zwar auch anstrengend sein, wenn man sich gerade für ein großes Mode-Event im Marriott Hotel schick macht und dann doch noch einen Anruf bekommt, dass das ganze geplatzt ist. Dafür wird man morgens zu kurzfristig zu einer Foto-Ausstellung von einer der bedeutendsten indischen Fotografinnen geschickt. Dayanita Singhs Arbeiten werden momentan im Museo de Arte del Banco de la República ausgestellt. Ein ganz anderer Blick auf Indien. Schwarz-Weiß-Fotografien größtenteils. Sie zeigen nicht dieses sonst so bunte und chaotische Leben, keine Kühe auf den Straßen, keine Märkte mit Bergen von Stoffballen oder Säcken voll von Gewürzen. Nichts dergleichen. Vielmehr ein sehr intimes Bild, das das von diesem überbevölkerten Land gemalt wird. Personen zwischen westlicher Moderne und indischer Tradition. Das Porträt eines Außenseiters unter Außenseiter – ein verstoßener Eunuch, Mona Ahmed. Oder die Ladies of Calcutta, Fotografien von Menschen, wie sie gesehen werden wollen. Erst in den neueren Arbeiten Blue Book oder Dream Villa wird Farbe eingesetzt. Und dennoch sind es fast noch immer Schwarz-Weiß-Fotografien, denn die bläulichen Farben scheinen zu verschwinden. Das künstliche Licht, das unser selbst kreiertes Nachtleben in Szene setzt. Eine Rezension über diese Ausstellung. Wenn ich schon mal hier bin, kann ich mir auch gleich eine weitere Foto-Ausstellung ansehen. Kolumbiens Geschichte durch Fotografien. Von Bürgerkriegen bis zur Ermordung Gaitans oder dem Gewinner der Vuelta a España 1987: Luis Herrera. Ein komplexes Gesamtbild eines sehr aufregenden Landes. Jeden Tag will ich mehr hierbleiben. Aber noch immer zieht mich vieles wieder weg hier. Unentschlossenheit.

Als Entschädigung für ein geplatztes Mittagessen wird man dann mit einer Eintrittskarte fürs Theater überrascht, in einem Moment, in dem man sich schon mit seiner Einsamkeit und einem Film abgefunden hat. Jeder Tag bringt immer etwas Neues mit sich – sei es im positiven oder negativen Sinne. Ein kurzer Anruf und schon bin ich auf dem Weg zum Casa del Teatro Nacional: Pintura Performance. Aktionskunst. Eine Art Theater, die man hier in Kolumbien nur sehr selten zu sehen bekommt. Rosario Jaramillo, eine der wichtigsten Schauspielerinnen inszeniert sich selbst und ihren nackten Körper in Entre nosotros La Folie als Homenage an ihren verstorbenen Bruder Lorenzo. Eine spannende Auseinandersetzung mit Homosexualität, Körper und Tod. Auch ist es seltsam mit einem aguardiente begrüßt zu werden. Nach einer kurzen Pause lässt Juan Aldana in seinem Werk No es lo mismo Dinamarca que Cundinamarca (Cundinamarca ist nicht da gleiche wie Dänemark) Worte auf der Mauer wachsen, die zwischen uns wächst. Eine zeitgenössische Interpretation des Hamlets. Beides sind atemberaubende Arbeiten, aber auch schwierig, erdrückend. Im Anschluss gibt es ein Glas Wein frei aufs Haus. Das ist das gute am Journalistendasein, man muss weder für die Eintrittskarte, noch für die Getränke zahlen (und Wein hier ist leider purer Luxus). Aber man hat ja auch eine Aufgabe, es geht nicht nur ums Genießen, sondern auch um Kritik. Mit jeder Ausstellung, jedem Theaterstück ergibt sich auch ein weiteres Stück Arbeit.
Nächste Woche ist es dann endlich soweit: Die nächste Ausgabe der monatlich erscheinenden Zeitung The City Paper wird gedruckt. 24 Seiten und drei davon sind von mir ausgefüllt. Ein großer Artikel und zwei Rezensionen. So langsam steigt die Nervosität an. Eine erste wirkliche Veröffentlichung meines Schreibens in einem Print-Medium. (Wenn man mal Berichte in der Vereinszeitung außer Acht lässt.) Wer weiß wie viele Augenpaare meinen Artikel lesen werden. Mittlerweile haben wir eine Auflage von 11.000 Zeitungen. Vor allem Ausländer hier in Bogotá werden mein Geschreibsel lesen. Spannung pur.

2 Kommentare:

  1. Musst dann mal ne Zeitung rüberschicken oder einscannen.Wir wolln das ja auch alle mal Lesen ;)

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  2. echtma, WO IS DER ARTIKEL :)

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