Freitag, 8. April 2011

Cocinera, periodista, fotógrafa, trabajadora manual

Welcher Beruf darf’s denn bitte sein?




Da steht ein Pferd vor der Tür, ja, vor meiner Tür, dahinter ein Karren gespannt. Wir mögen uns vielleicht im 21. Jahrhundert befinden, aber dieses Fortbewegungsmittel ist hier in der kolumbianischen Hauptstadt höchstwahrscheinlich noch in fünfzig Jahren zu sichten. Sollten die Deutschen auch mal drüber nachdenken, bei den ganzen steigenden Kosten, jetzt wo Diesel und Benzin gleichermaßen besteuert werden sollen… Jetzt ist es auch schon wieder weg, hat das bisschen Gras unterm Bäumchen vor der Tür weggefressen.

Da haben wir Menschen es schon besser. Anstatt Gras kommt uns was anderes auf den Tisch. Arabisches Essen zum Beispiel. In Anlehnung an einen Samstag vor genau ziemlich einem Jahr, startete ich ein umstrittenes Projekt: Gemeinsames Kochen für und mit zwanzig Personen. Nun ja, das Vorhaben war lange geplant, aber die Kolumbianer leben doch irgendwie lieber von Tag zu Tag. So schien es schon den Bach hinunter zu gehen. Tausend andere Dinge standen plötzlich zur Debatte. Aber letztendlich bin ich zunächst mit ein paar Leuten einkaufen gewesen (Gewürze sind in diesem Land unsagbar schwer zu finden, Kümmel bekommt man gerade noch so, aber Kardamom oder Kurkuma, auch Chilischoten sind hier eine Rarität). Scharfes oder eben gewürztes Essen wird hier eher verschmäht. Aber letztes Jahr gab’s schon deutsch-böhmisches Essen. Dieses Mal also etwas ganz anderes. Mit riesigen Töpfen und einigen Plastiktüten stürmen wir den Transmilenio, unterhalten unsere Mitfahrer mit einer eventuell nervtötenden Akustikeinlage (wir trommeln auf Topfböden und –deckeln herum). Außerdem sorgt auch meine Hautfarbe für ein wenig Aufmerksamkeit, sie hat nämlich die Farbe meines knallroten Oberteils angenommen. Krebsrot, die Nasenspitze hat mindestens Verbrennungen zweiten Grades erlitten und das nur, weil ich nach dem Englischunterricht geben ein Stündchen draußen war. Wenn die Sonne hier scheint, dann richtig. Aber ja, Mama (und alle anderen besorgten Leser), ich schleppe von nun an stets und ständig nicht nur Regenschirm und Sonnenbrille mit mir spazieren, sondern packe meine Sonnencreme ein, damit sich das Krebsrot nicht noch in Krebs verwandelt.

Wir kamen also mehr oder weniger schnell mit unseren Töpfen an. Aber der Großteil des Einkaufs musste noch erledigt werden. Zwei Frauen und sechs Kerle in einem Gemüseladen. Die Augen wurden immer größer, je mehr Grün in den Körben landete. Grüner Spinat, grüne Gurken, grüngelbliche Orangen, grünweißliche Zwiebeln, grüne Petersilie, glücklicherweise sorgten die Möhren (oder Kakarotten wie Gabriel, der gerade Deutsch lernt, zum besten gab) für einen Farbtupfer. Zu den vor Entsetzen nur so berstenden Blicken gesellte sich ein breites zufriedenes Grinsen als es zu Fleischtheke ging. Drei Kilogramm Schweinefilet und anderthalb Kilo Hackfleisch. Und schon war die Welt wieder in Ordnung. Wieder zurück in der Wohnung, wurde ich nur noch als „tscheff“ angeredet. Macht schon Spaß so seine eigene Küchencrew zu haben, vor allem, wenn die Rezepte kreuz und quer dirigiert werden müssen. Stundenlanges schnippeln, Zwiebeln und noch mehr Zwiebeln ohne Tränen, riesige Töpfe werden gefüllt, und am Ende des Abends stand ein großartiges Menu auf dem Plan: Spinatsuppe mit Hackbällchen und Brot, danach Schweinegulasch in Zimtsauce mit Möhrenpüree und vorgetäuschtem Safran-Rosinen-Reis, zum Nachtisch Honigkuchen und Orangensorbet. Es hat geschmeckt, so ziemlich allen. Und es war nicht nur ein großartiges Essen, sondern auch eine Überraschung für Jonathan, der am Freitag Geburtstag hatte. Satt und zufrieden wurde getanzt, gespielt (UNO wurde neuentdeckt, Twister, es ist wunderbar sich unter großen Kindern wieder zu finden) bis in die Morgenstunden. Während des ganzen Trubels hat sich allerdings unsere Küchentür selbstständig gemacht. Sie viel einfach so aus dem Rahmen, naja, nicht unbedingt ohne Fremdeinwirkung, aber fast. Immerhin hängt die Hängematte noch, alles andere ist heile geblieben. Nur der Boden. Auch wenn mir die letzten Mitfeierer morgens beim Aufräumen halfen, so kam ich doch nicht herum, die gesamte Wohnung zu wischen, und das ist so einiges. 90 m2. Aber es hat sich gelohnt.

Und der nächste Morgen begann nach zwölf Stunden Schlaf ohne Unterbrechung. Ran an die Arbeit. Es hieß, die April-Ausgabe von The City Paper zu designen. An einem riesigen Mac mit Indesign verbrachten wir so einen ganzen Tag, es ist ein langer und anstrengender Prozess alles haargenau an die richtige Stelle zu rücken, Harmonie zwischen Text und Fotos, sowie Werbeanzeigen zu finden. Gar nicht s einfach. Aber am Ende des Tages falle ich erschöpft mit quadratischen Augen ins Bett. Am nächsten Tag stand Korrekturlesen an, zunächst auf dem Papier, denn in gedruckter Version liest es sich einfacher (Bücher und Zeitungen werden niemals, niemals komplett durch elektronische Geräte abgelöst werden, dann werde ich weinen, für den Rest meines Lebens). Einige Artikel müssen gekürzt und verändert werden, andere sind einwandfrei geschrieben. Auch ich kriege mein Fett weg, was sehr gut ist. Mir fehlt es noch so an einigem, aber ich lerne ja. Deswegen bin ich hier.

Und jetzt halte ich voller Stolz die erste Ausgabe mit drei Artikeln und einem meiner Fotos in den Händen. Es ist… noch unwirklich, aber großartig. Und ich weiß, dass sich viele mit mir freuen. Außerdem habe ich es ganz alleine geschafft, die Tür zu reparieren, sie lässt sich wieder einwandfrei öffnen und schließen, hält sogar besser als zuvor und das mit bloßer Frauenpower (meine Hände haben nach dem Anziehen von neun Schrauben zwar etwas lädiert ausgesehen, aber was tut man nicht alles als unabhängige Frau;)).

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