Noch immer keine Flaschenpost in Sicht
So wenig Grüße die ich nach Deutschland gesendet habe und doch viel mehr Gedanken. Es ist anders wieder hier zu sein, es ist schön, wieder hier zu sein, es ist seltsam, wieder hier zu sein. In diesen zwei Wochen ist vieles und doch auch noch nicht sehr vieles passiert.
Tag 1
In Deutschland schon einen halben Tag lang ein Jahr älter, stehe ich hier in Kolumbien früh auf. Nelson ist schon auf und ich werde mit einer weiteren Geburtstagsumarmung begrüßt. Tee und mantequada (Kuchen) zum Frühstück. Das erste Mal in diesem Jahr, dass ich Bogotá bei Sonnenlicht sehe. Es kommt mir doch alles sehr bekannt vor. Alles fühlt sich fremd und doch vertraut an. Die Straßen durch die wir streifen begrüßen mich mit ihrem alltäglichen Lärm, die Sonne sticht auf meinen Kopf ein und im nächsten Moment regnet es in feinen Fäden vom Himmel. Hupen, Geschrei, Quietschen und vor allem Blicke. Die Straßen rauf und runter, Baustelle an Baustelle, zur Uni, ins Architektur-Gebäude, Design-Studenten beobachten, einen Vortrag über Tradition und Moderne. Raus, rein, raus, rein. Laufen, kurz verschnaufen. Obwohl, das mit dem Atmen klappt noch nicht so ganz. die Höhe macht sich bemerkbar. Gegen fünf Uhr Nachmittag bin ich hundemüde. Herzlichen Glückwunsch. Und noch nicht Mal die Aussicht auf ein gemeinsames Essen mit Kike macht es mir schmackhaft. Denn etwas ist mit der Atemluft noch auf der Strecke geblieben: mein Appetit. Verschwunden. Der kleine Araber zu dem wir wollten, hat bereits geschlossen. Pizza oder doch nur ein Eis für mich. Und ein kleines Geburtstags-Törtchen. Zu Hause wartet auch noch ein Geschenk auf mich. Und Carla, meine Mitbewohnerin, die mit mir noch ein Geburtstagsbierchen trinken geht, auch nur eines, bevor ich in der Traumwelt versinke.
Tag 2
Frühstück zusammen mit Nelson. Die Sonne scheint ins Wohnzimmer, die ersten Rauchschwaden ziehen hinaus ins Freie. Rauchen ist hier erlaubt, doch meine Lungen rebellieren vehement, bloß keine Tabakzufuhr. Besser so. Noch haben sich meine roten Blutkörperchen nicht vermehrt. Ein weiterer Tag von Büro zu Büro, von Hausecke zu Geschäft, Schlüssel nachmachen lassen, Nelson zu seiner Arbeit begleiten. La Yogutera, der einzige Ort in ganz Bogotá, an dem man Natur-Joghurt bekommt, allerdings angepasst an den kolumbianischen Geschmack, also stark verflüssigt. Hier trinkt man Joghurt. Gewöhnungsbedürftig. Zurück nehme ich eine kleine buseta, gülden mit der Aufschrift Metrópolis. Zuhause räume ich meinen Koffer aus, meinen Schrank ein. Begrüße mein neues zu Hause ganz für mich und gewöhne mich an den Gedanken wieder hier zu sein, frage mich, ob es das ist, was ich will, finde noch keine Antwort.
Tag 3
Ein erster Gang alleine in die Stadt. Und da schau her. Eine Blondine in Bogotá. Man fühlt sich wie im Zoo. Als ich vor acht Monaten hier war, dunkles Haar und nun, was habe ich mir da eingebrockt mit meinem Versprechen mir selbst gegenüber, mir meine Haare ein Jahr lang nicht zu färben. Eine harte Probe dieses halbe Jahr hier. ¡Que chimba esa señorita! ¡Ey mona! ¡Uuuuuuuish! Und dann auch noch so flott unterwegs. Kurzum ich falle auf. Nun gut, ich werde wohl wieder lernen müssen, damit umzugehen. Genauso muss ich wieder die Fragen beantworten, warum Kolumbien. Und wenn sich dann herausstellt, dass ich das Essen hier nicht als köstlich empfinde (bis auf die paradiesische Auswahl an Früchten), dann muss ich auch erklären, was man isst, wenn man sich vegetarisch ernährt. Nein, man kommt nicht um vor Hunger.
Tag 4
Frühes Aufstehen. Ab in den Süden Bogotás. Die Straßen der Stadt sind herrlich ruhig an einem Samstagmorgen um sechs. Wie ausgestorben. Irgendwie unglaublich. Nichts und niemand rührt sich. Auf dem Weg zum Transmilenio begegnet mir keine Menschenseele. Auch im Bus ergattere ich ohne Probleme einen Sitzplatz. Am Südportal warte ich noch ein paar Minuten und auch noch ein paar mehr bevor Kike mich abholt. Rührei und Milch mit löslichem Kaffee, Brot, ein typisches kolumbianisches Frühstück bevor wir noch ein Stück weiter in den Süden in das Viertel Bosa fahren, wo ich von nun an jeden Samstagvormittag verbringen werde. Im Rahmen der Fundación Mano Latente unterstützen wir, eine Gruppe von jungen Leuten, Kinder aus bildungsschwachem Hintergrund. Lernen und spielen mit ihnen. Meine Aufgabe wird es sein, zusammen mit Maryory den Kleinen Englisch beizubringen. An diesem ersten Tag nach den Ferien sind nur sehr wenige Kinder da, aber Diego, ein kleiner hyperaktiver Zehnjähriger erkennt mich von meinem ersten und einzigen Besuch wieder. Da heute noch kein wirkliches Programm vorhanden ist und auch nur wenige der Betreuer da sind, machen wir uns daran sich in verschiedenen Sprachen vorzustellen und nach den Namen der anderen zu fragen. Und die ganze Zeit wird man mit „profe“ angeredet. Seltsam, seltsam. Später dann noch ein Treffen, in dem der rechtliche Rahmen der Fundación abgesteckt wird. Dann ein Blick auf die Uhr. Die ersten Gäste sind schon fast unterwegs. Ein bisschen Geburtstag feiern. Also düse ich los, als ich gerade im Transmilenio sitze, rumpelt und poltert es. Nein, kein Unfall. Ein Gewitter sondergleichen. Es schüttet, es blitzt und donnert als ob die Welt sich verabschieden wolle. Herrlich. Ich liebe Gewitter. Ich tanze durch den Regen. Kaum bin ich zu Hause, klingeln, zumindest versuchen sie es, die ersten Gäste. Denn unsere Klingel funktioniert nicht. Steinchen schmeißen oder anrufen. Das klappt meistens. Ein wenig umständlich vielleicht, aber was soll’s. Der Abend wird feuchtfröhlich, so wie das hier nunmal ist. Die Tanzfläche wird früh eröffnet und ich falle auch früh ins Bett. Zu viel des Guten.
Und damit sage ich auch für heute Gute Nacht. Es sind zwar bislang nur die ersten Tage, die hier geschildert wurden, aber die denen folgenden verlangen nach einem neuen Morgen.

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