Montag, 29. März 2010

Teatro callejero vs. teatro en el teatro




Große Inszenierungen, fremde Sprachen, klassische Stücke

Nach viel Musik und Tanz gibt es die ersten “wirklichen” Theaterstücke.
Straßentheater. In Deutschland müsste man mindestens zwei Stunden vor Beginn da sein, um einen guten Platz zu bekommen, da kann ich mich noch gut an den Kölner Theatersommer erinnern. Als Deutsche mache ich mich natürlich früh auf den Weg. Gar nicht so schlimm. Nachmittags (und wenn ich es mir recht überlege, eigentlich zu jeder Tageszeit) ist Stau. Viele Bus- und Taxifahrer sind der Meinung, dass es durch ununterbrochenes brachiales Hupen vielleicht schneller vorangehen könnte, aber nein, sie irren sich. Irgendwann bin ich dann an der Adresse, die ich habe angelangt. Es kommt mir auch alles irgendwie bekannt vor. Eine der größten öffentlichen Bibliotheken zu meiner Rechten, ein riesengroßer Parkplatz zu meiner Linken, die mich bratende Sonne von oben. Aber irgendwie kann ich mich nicht so ganz orientieren. Nach einigem Umherirren und mehrmaligem Nachfragen wird mir bewusst, dass ich ein wenig zu früh aus dem Bus gesprungen bin. So ist das eben, wenn man das Geld für ein Taxi sparen will. Aus Fehlern wird man ja angeblich klüger. Und ein Fußmarsch bei dem Wetter macht mich auch nicht ärmer. Selbst als ich noch einmal um den halben Park geschickt werde, da die Eingänge geschlossen wurden, um zu dem Einlass zu gelangen, liegt noch immer ein Lächeln auf meinen Lippen.
Zwei Stunden vorher bin ich da. Einlass ist erst eine Stunde vorher. Also heißt es mal wieder warten, warten, warten. Aber schnell warte ich in Gesellschaft. Zwei Deutsche mit denen ich verabredet bin. Also warten wir gemeinsam. Einige der wenigen Sachen, die ich nicht vermissen werde, wenn ich im Sommer wiederkomme.
Die Pforten werden geöffnet, Sicherheitskräfte tasten uns ab, durchwühlen unsere Sachen und riechen an meinem Wasser (damit es auch wirklich nur Wasser ist). Die Bühne ist groß, wird noch einmal gefegt bevor es los geht. Der Himmel ist wolkenlos, das Tiefblau senkt sich nieder, der Halbmond schenkt uns sein Licht.
Macbeth. Sechs Baumstämme in einem Kreis. Das Schloss im Hintergrund. Eine Sängerin uns im Rücken, hoch oben. Die drei Hexen. Huschen hin und her im Wald von Birnham. Mit ihren Rasseln verständigen sich, Worte werden nicht benötigt. Das gesamte Stück über wird überhaupt wenig Sprache verwendet. Und dann ist es das alte Englisch Shakespeares untermalt von einem süßen polnischen Akzent. Aber die Inszenierung ist nicht so alt. Motorräder, Maschinengewehr und auch sonst spiegelt sich die Bedrückung wider. Allein schon in der Kleidung, die typisch für die Zeit des Zweiten Weltkrieges ist.
Die Visionen Macbeths werden durch Gesang und den Hexen auf Stelzen verstärkt. Das Licht wird sparsam eingesetzt. Es ist ein gewalttätiges Stück. Hauptmotive das Machtstreben eines Mannes, der sich mehr und mehr über seinem Blutbad, das er stetig neu einlaufen lässt, in einen Tyrannen verwandelt. Er verliert. Mehr und mehr Menschen. Ehemalige Freunde werden zu Feinden. Feinde werden ausgemerzt.



Lady Macbeth steht zunächst hinter ihm, doch das schlechte Gewissen treibt sie bis in den Selbstmord.



Das Reich versinkt im Chaos. Da werden Orgien gefeiert. Der Sündenfall. Obwohl es eher Apfelspuckerei ist. Der verzweifelte Versuch aufzuräumen. Die drei Hexen und Hecate haben letztendlich die Fäden in der Hand, der Wald, er umringt das Schloss und der Tyrann wird in seinen eigenen Mauern verbrannt. Übrig bleibt die Vision seines Sohnes.



Die Kälte hat sich in meinen Körper gefressen. Nicht nur die Nacht ist hineingebrochen, sondern eine gewisse Melancholie, Traurigkeit über diese Realität. Ein altes Stück, und doch findet es immer wieder aktuelle Beispiele.

Macbeth
http://www.teatrbiuropodrozy.ipoznan.pl/foto/makeng.html


Ein Tag. Zwei Stücke. Die Sonne brennt auf uns nieder. Straßentheater in der Universidad Javeriana. Humanum Fatum aus Portugal. Wiederum ein Stück ohne Worte. Musik, mal fröhlich, mal verstörend, mal nervtötend erzählt die Geschichte. Und natürlich die vier Schauspieler. Drei Männer, eine Frau. Und vier Maschinen. Maschinen, die geschoben werden. Noch durch Menschenkraft.



Doch die Industrialisierung greift um sich. Anfangs werden Hühner noch per Hand gefüttert, sich mit Hilfe einer Waschschüssel gewaschen, die Möhren werden noch per Hand zerkleinert.



(Wir befinden uns im 19.Jahrhundert.)



Doch es werden immer neue Maschinen entwickelt, die uns die Arbeit abnehmen. Die Uhr tickt, die Zeit schwindet unaufhörlich dahin. Da werden dann Möhren-Waschmaschinen entwickelt, eine Trockentrommel und schließlich eine Möhren-Schneidemaschine hoch oben in den Lüften. Ein bisschen Akrobatik ist eben auch dabei. Die Möhren werden per Wäscheleine hinaufbefördert. Ein verrücktes Metallhuhn scheucht alles auf. Der Kopf ein Trichter, als Flügel Pfannenwender, der Körper Töpfe und Schneebesen als Beine… Das Szenario ist so absurd wie bezaubernd. Und endet damit, dass ein riesiges Segelschiff Kurs in Richtung neue Ufer nimmt.

Humanum Fatum
http://www.piacrl.com/

Klassisches Theater. Caligula. Abends dann im neu eröffneten Theater. Es ist unglaublich groß. Schwingtüren mit Bullaugen begrüßen einen, samtweicher violetter Teppichboden, strahlende Kronleuchter und natürlich wie bei jedem Spektakel des Festivals die Verkaufsstände (Wie wär’s mit einem Bierglas oder einem T-Shirt, Schlüsselanhänger, alles was das Herz begehrt, kann man hier käuflich erwerben.).
Und auch wie sonst immer beginnt das Stück eine halbe Stunde später. Einlass ist nämlich erst Punkt acht und da wir uns in Kolumbien befinden, ist das auch im Theater so eine Sache mit der Zeit. Ich sitze sehr weit oben, dafür mittig, die Karten sind eben doch sehr teuer… Und somit bekommt man immer die „schlechtesten“ Sitze, ich schmuggele aus Rache fleißig meine Kamera mit rein und mache reichlich Gebrauch von meinem Teleobjektiv (andere Besucher sind mit Ferngläsern ausgerüstet.)



Caligula auf der Grundlage Albert Camus. Eine Produktion aus Kroatien und Slowenien. Diesmal verstehe ich leider nichts. Und auch die Untertitel sind sehr schwierig zu lesen (da sie viel zu schnell eingeblendet werden), entweder man entscheidet sich für die Untertitel oder man vertraut auf sein Theaterwissen und lässt die Geschichte geschehen ohne dass man die einzelnen Wörter versteht. Ein Herrscher, der die absolute Freiheit befürwortet und dem Unmöglichen verfällt. Er verlangt den Mond oder besser noch die Unsterblichkeit. Dabei verliert er als Imperator seines Reiches oder eben jeden (modernen) Reiches gewollt den Sinn für die Realität, lässt seine Frau (die gleichzeitig seine Schwester ist) umbringen, richtet Blutbäder an, sieht dabei zu wie weit Menschen gewillt sind zu gehen bis er ein Komplott gegen sich selbst heraufbeschwört und nicht ganz ungewollt umgebracht wird, den Mond in den Händen. Die Umsetzung ist atemberaubend. Die ganze Bühne ist von einem Wasserspiegel bedeckt. Der Deutsche marschiert unentwegt mit lautem Platschen, der menschliche Hund hastet durch das Wasser und das Abendkleid der Gattin Caligulas zieht stetig Wellen hinter sich her.



Einfache Tanzszenen werden zu Choreografien erster Klasse, Spiegelungen lassen die ganze Geschichte unheimlich bis absurd werden. Vier große Betonkolumnen bewegen sich immer wieder zu neuen Konstellationen. Wie von Zauberhand schweben sie über den Wasserspiegel. Alles fließt. So auch Blut. Und der Alkohol. Rot aus feinen Cocktailgläsern. Die hohe Gesellschaft trifft sich. Die Säulen verschieben sich und wir schreiben das Jahr 1969. Der pathetische Satz: „Dieser Schritt… dieser Schritt… dieser Schritt“ geht um die Welt. Der Mond, der Mond, der Mond. Die Faszination für das Unerreichbare, das Unfassbare und das Wunderschöne.
Die Musik beklemmend schön, abstrus, unwirklich. Licht und Schattenspiel zeichnen Bilder. Auch das Dunkle im Menschen kann sich von seiner schönen Seite zeigen.



Caligula
http://www.pandurtheaters.com/intro.htm

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