Mittwoch, 13. Juli 2011

Sin plata: Qué rico es la paella de dos ingredientes




Die deutschen Banken und ihr Sicherheitsdenken

Eine ganz besondere Erfahrung. Da wollte ich wie gewohnt Geld abheben, um mein Visum ein weiteres Mal verlängern zu können, aber an keinem der mindesten zehn verschiedenen Bankautomaten ließ sich diese Transaktion realisieren. Ein Verbindungsproblem mit der Postbank dachte ich zunächst. Man gut, dass ich mit Kike unterwegs bin und er mir ein wenig leihen kann. So geht es erneut zum DAS. Leider bin ich etwas spät dran, die Schlange steht bis nach draußen. Immerhin ist gutes Wetter. Vor mir ein junger Blondschopf, der kaum ein Wort Spanisch spricht, noch nicht einmal vernünftig Englisch. Als der Herr hinter mir mit ihm in einem Mix aus Deutsch und Niederländisch spricht, wird mir bewusst, dass ich eine gute Tat tun könnte. Also helfe ich Tobias oder Michael oder wie auch immer er heißt (ich hab’s ehrlich gesagt vergessen), das Formular auszufüllen. Selbst bei dem Wort surname hat der gute Probleme zu identifizieren, dass nach seinem Nachnamen gefragt wird. Danach müssen wir zu einer bestimmten Bank, um die geforderte Summe einzuzahlen. Da ich das ganze Prozedere bereits kenne, ist es nicht schwierig diese Bank zu finden. Allerdings ist die Schlange auch hier nicht gerade kurz. Anstehen, warten, in der Zwischenzeit erfahre ich ein wenig über meinen Landsmann. Er hat nach der Hauptschule eine Ausbildung gemacht und jetzt seit etwa zwei Monaten in einem kleinen Dorf in Kolumbien bei Pfarrern untergebracht. Bogotá, das große Chaos, kannte er bis heute nicht. Mit ihnen spricht er hauptsächlich Deutsch, er will aber in der Großstadt noch nach einem Spanischkursbuch suchen. Viel Spaß, das ist nicht so einfach wie gedacht. Da er noch eine Fotokopie und Fotos braucht, erbarme ich mich und begleite ihn. Ist ja auch nicht schlecht ein wenig Gesellschaft zu haben. Wieder im Büro des DAS müssen wir warten und warten und warten. Ausländer aus aller Herren Länder. Nach ungefähr vier Stunden erhalte ich meinen Pass mit Visum und den Worten „Hasta el veintidos de agosto, no más.“ (Nicht länger als bis zum 22.August.) Okay, okay, ich geh ja schon, ihr lieben Kolumbianer… Aber ich komme wieder, das könnt ihr mir glauben.

Am Nachmittag treffe ich mich mit einer guten Freundin, um das Geschenk für einen Freund zu besorgen. Eine Hängematte (was gibt es Schöneres auf dieser Welt), die wir später noch eigenhändig dekorieren werden. Nach längerem Verhandeln haben wir eine schlichte naturfarbene und sehr robuste in den Händen. Wir gönnen uns ein Eis. Maracuya. Herrlich.

Der Tag ist gar nicht so schlimm wie anfangs gedacht. Aber man soll ihn ja bekanntlich nicht vor dem Abend loben. Denn dann passiert das, was mir daraufhin passierte. Fröhlich gestimmt mache ich mich auf den Nachhauseweg. Und da ist auch alles gut. Bis ich die Nachrichten sehe. Die deutschen Banken haben sich dazu entschlossen, alle Transaktionen im außereuropäischen Ausland zu stoppen. Wunderbar. Das bedeutet für EC-Karten-Inhaber wie mich, dass es keinen Zugang mehr zu meinem Konto gibt. Da schau ich doch schnell mal nach, wie viel Geld ich noch habe. Ah, 6.00o Pesos. Das mag nach viel klingen, sind aber umgerechnet etwa 2,50 €. Großartig. Für wie lange weiß ich in diesem Moment noch nicht. Aber keine Sorge. Mit kühlem Kopf drüber nachdenken. Bis mir einfällt, dass ich eigentlich einkaufen gehen wollte, weil ich nicht mehr sonderlich viele Nahrungsmittel zu Hause habe. Erst einmal der Postbank schreiben, dann meine Eltern anrufen…

Ich lebe so etwa eine Woche von Paella aus zwei Zutaten wie Jonathan so schön sagt: Reis und viel Fantasie. Schmeckt gar nicht so schlecht. Aber ich nage noch nicht am Hungertuch, da die wenigen, die von meiner Situation wissen, mir Zuflucht und Essen gewähren, mich zum Mittagessen zu sich nach Hause einladen (und mir auch den Bus dorthin zahlen), mir sogar kleine Fresspakete schnüren. Letztendlich ist es keine schlechte Erfahrung ohne Geld zu leben, nur wenn dann die Miete eingefordert wird, könnte es schwierig werden. Ich habe zwar noch immer keinen Zugang zu meinem Konto, aber glücklicherweise habe ich Eltern, die mich nicht verhungern lassen (und eben auch einige Freunde).

Dienstag, 12. Juli 2011

De lo digital a lo físico



Von Druckerschwärze und Aluminiumplatten


Die dritte Ausgabe. The City Paper No. 38. Und ich bin dabei. Es ist zwar nur ein Artikel, aber der ist dafür umso aussagekräftiger, da das Thema komplett selbstbestimmt ist, viel Herzblut drinsteckt und ich auf die Straße musste. Es geht um Verkäufer, nicht die typischen llamadas oder USB-Sticks die lauthals von vagabundierenden fußläufigen Händlern vertrieben werden, sondern es geht vielmehr um solche, die ihr Auto zum Geschäft machen. Da werden allerlei interessante Dinge verkauft, so z.B. Lederwaren, Eis und Kaffee in all seinen Formen (von Espresso bis zur Latte Macchiato), aber auch viel Kurioseres: kopflose Hühner frisch geschlachtet. Natürlich sind diese Formen des Verkaufens nicht unbedingt legal, aber was hier alles am Rande des Verbotenen stattfindet, lässt sich nicht einmal an zehn Händen abzählen. Dieser Artikel hat mich also auf die Straße getrieben, anfangs waren die meisten Angesprochenen recht zurückhaltend, aber letztendlich konnte ich den meisten Vertrauen erwecken und sie erzählten mir ihre Geschichten.

Der Morgen der Verwirklichung, des Druckens der Zeitung klopft nunmehr an die Tür. Und zwar früh, sehr früh, ich stehe um Viertel vor fünf auf, denn die Busfahrt in dem kleinen abgedroschenen colectivo dauert so seine Zeit, da die Druckerei in der Nähe des Flughafens liegt. Weit weg vom Zentrum der Stadt. Um sieben steh ich pünktlich vor der Tür der wichtigsten Wirtschafts-Zeitung Kolumbiens: La República. Hier werden auch viele andere kleine nationale Zeitungen gedruckt, wie die Tageszeitung der Südseeinsel San Andrés oder die monatliche Gemeinschaftsausgabe einiger Stadtviertel Bogotás. Und eben auch The City Paper. María Claudia hat Geburtstag, meine Chefin. Aber das nur am Rande (der Legalität versteht sich). Zuerst werden alle Seiten der Zeitungen am Computer mit Hilfe eines Grafikdesigners ins rechte Licht gerückt. Es geht darum, dass alles perfekt in die vorgegeben Maße passt. Außerdem können noch Kleinigkeiten verändert werden. Da gibt es einige Fotos, die doch noch irgendwie im RGB-Modus auftauchen und nicht wie gewünscht im CMYK-Modus oder die Farbpalette ist bereits ausgereizt und es müssen einige verändert werden. Es wird zurecht geruckelt und gezuckelt bevor es zum Negativ der Zeitung geht: Aluminiumplatten. Diese werden gedruckt in einem riesigen Fotodrucker, aber eben nicht auf Papier, sondern auf Metall. Man gut, dass die Technik nicht bei Gutenberg stehen geblieben ist, sonst würden wir noch jetzt (einen Monat später) Buchstaben in die richtige Reihenfolge setzen. Jede der vier Farben einzeln, aber vier Seiten auf einer Platte, in einer Anordnung, die selbst Richard, der Verleger, noch immer nicht versteht. Dieser Prozess dauert, somit haben wir ein wenig Zeit in der quietschgrün gestrichenen Kantine zu frühstücken. Natürlich typisch kolumbianisch: Eier je nach gusto, fluffiges Weißbrot und heiße Schokolade (oder Kaffee, von dem mir jedoch MC abrät). Danach geht es von dem so geordneten und ruhigen Bereich, in dem Journalisten und Designer ihre Arbeiter verrichten zwei Türen weiter. Dort ist nichts mehr von der Stille zu spüren: Maschinen rattern, Männer und Frauen in Blaumännern schleppen Zeitungspapier und Farben durch die Gegend, versuchen sich lautstark oder auch mit Handzeichen zu verständigen. Es ist laut und Druckerschwärze liegt in der Luft. Die riesige Druckermaschine wird zum Stillstand gebracht, die Platten werden eingespannt und schon wird die Geschwindigkeit wieder hochgedreht. Erste Exemplare werden ausgespuckt, jetzt werden Farben berichtigt. Vor allem wird nach der Perfektion der Werbeanzeigen geschaut, außerdem muss jede Aluminiumplatte haargenau an der gleichen Stelle sitzen, damit keine Unschärfe auf der gedruckten Seite entsteht. Ein langwieriger Prozess. Immer wieder werden Zeitungsexemplare herausgefischt und genau nachgesehen, ob alles stimmt. Als wir zufrieden sind mit dem Druck, wird die Geschwindigkeit hochgeregelt. Die Druckerpresse druckt und druckt. Immer wieder werden Exemplare herausgegriffen, um die Qualität zu sichern. Binnen einer halben Stunde werden etwa 11.000 Zeitungen gedruckt, es ginge auch schneller, aber je schneller die Presse läuft, desto höher ist das Risiko, dass das Papier reißt und das würde bedeuten, nochmal fast von Vorne zu beginnen. Die Zeitungsränder müssen geschnitten werden und dann werden Pakete á 200 Ausgaben per Hand geschnürt. Gegen Mittag verlassen wir das Gebäude, essen zusammen Pizza und dann geht es zur Verteilung, zumindest schon ein paar Stadtviertel werden mit der neuesten Ausgabe von The City Paper bestückt. Viel Hand- und Beinarbeit. In meinen Händen halte ich meinen gedruckten Artikel.

Samstag, 4. Juni 2011

Bajo la lluvia no ves las lágrimas


Springt hinein in die Fluten


Es gibt Tage, ja auch Wochen, die sind nicht so wie man sie gerne hätte. Dinge laufen nicht so wie sie sollten, viel mehr gegen die Wand als geradeaus auf dem richtigen Weg (von dem wir eigentlich auch gar nicht wissen, wohin er uns führen wird). Diese Tage existieren eben und die wenigsten werden dies abstreiten können. Und manchmal werden eben auch Wochen daraus. Die Routine bricht über uns hinein, so richtig sehen wir das Licht am Ende des Tunnels nicht (und im Grunde hoffen wir nur, dass es nicht der uns baldigst überfahrende Zug ist). Aber es sind keine schlechten Tage. Wir wollen weinen, schreien oder uns auch einfach nur ganz alleine im Selbstmitleid ertränken. Oder wir lernen sie zu akzeptieren, gar nicht einmal so sehr gegen sie anzugehen. Warum nicht sein, wer wir sind. Warum nicht annehmen, was geschieht. So wie den Regen. Er hat genauso Berechtigung zu existieren wie die Sonne. Vielmehr ist die Sonne doch immer vorhanden, oftmals hinter einer riesigen, schier unendlichen grauen Wolkendecke, aber sie ist da. Der Regen hingegen, ja, der blickt oft dumm drein. Von vielen verhasst, blickt er wohl häufig aus der Wäsche, ein wenig unbeholfen. Ich mag ihn. Nicht immer, aber eigentlich doch. Ich lausche gerne dem seichten Tropfen gegen die Fensterscheibe, das gleichmäßige Rauschen, das Gepladdere.

So sitze ich diesen Donnerstag in einem Theatersaal und sehe mir zeitgenössische Kunst an, ein wenig Clownerie, Tanz und musikalische Untermalung. Unter die sich langsam aber sicher einige Tropfen mischen. Mit der Zeit verwandeln sich diese in einen Vorhang, ein leichter Schleier, der die Gehörgänge verstopft. Da der Regen nicht enden will, und weder Bus noch Taxi weit und breit zu sichten ist, stapfen eine Handvoll Freunde und ich durch das nächtliche Bogotá. Alles verändert sich im Angesicht des Regens. Unsere Sicht der Dinge. Das Straßenlampenlicht verdichtet sich, wirkt wie einsame Fackeln entlang der Straßen, die zu Flüssen werden. Während drei Personen sich unter den einzigen Regenschirm drängen und zwei weitere sich an den Hauswänden entlangdrücken, breite ich meine Arme aus und genieße die Nässe – wahrscheinlich würde ich es nicht tun, wenn ich jetzt zur Arbeit müsste oder sonst irgendeinem Ort, der nicht meine Wohnung wäre. Aber just in diesem Moment, auch wenn es erheblich kälter als in Deutschland ist, freue ich mich wie ein kleines Kind über den Regen, der in meinem Kopf fast einem wunderbar seichten Sommerregen gleicht. Ich werde für verrückt erklärt. (Nichts Neues, wirklich nicht.) Ich springe in großen Hopsassa-Schritten über die Gehwege, schlittere hinab, wirbele umher und stecke einen der beiden Hauswandgängern an. Er tut es mir gleich, denn im Endeffekt werden wir alle triefend nass nach Hause kommen. Also hopsen wir zu zweit durch die Straßen, verlieren den traurigen Haufen ein wenig aus den Augen. Scheibenwischer für die Brille von Jonathan wären eine gute Erfindung, obwohl er sie auch einfach einstecken könnte, da sie eh nur Accessoire sind, reines Fensterglas. Carlos bräuchte eine vernünftige Jacke, damit ihm nicht andauernd Rinnsale den Rücken hinunterlaufen. Da rauscht ein Auto vorbei, im wahrsten Sinne des Wortes und durchnässt alle. Plötzlich springen sie wie aufgeregte Hühner durch die Gegend, schimpfen um die Wette und brechen dann in Lachen aus. Von da an, springe ich in Pfützen, um uns an den Autofahrern zu rächen und um einigen der Regenhasser ein kleines, fast unsichtbares Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Ich mag den Regen, da sieht man noch nicht einmal die Glückstränen, die in diesem besonderen Moment über meine Wangen kullern. Vielleicht auch nicht nur Glückstränen. Wer weiß das schon so genau. Durchnässt bis auf die Knochen komme ich zu Hause an. Schnell hinein in trockene Klamotten und eine heiße Schokolade auf dem Gasherd zubereiten. Puffff… Da ist es plötzlich dunkel. Strom weg. Wegen des Regens. Herrlich. Die beiden letzten Kerzen werden hervorgeholt und schon wieder schimmert alles in einem anderen Licht. Ich mag diese Momente. Und auch die irgendwie niedlichen Fragen meiner internetabhängigen Mitbewohnerin, ob das Internet jetzt noch funktioniere. Das ganze Viertel ist stockdunkel, nur ab und an erhellen ein paar Scheinwerfer die Straßen. Es schüttet, ich liege in der Hängematte, verliere mich im gleichmäßigen Grau des Himmels und wärme meine etwas durchfrorenen Hände an der heißen Schokolade. Schritt für Schritt gewöhnen sich unsere Augen an die scheinbare Dunkelheit. Langsam erhält alles wieder Kontur, ein wenig unscharf, aber das ist das Schöne. Wir reden und reden. Und der Regen plätschert weiter vor sich hin. Die überirdischen Stromkabelmonster scheinen unter der Last des Wassers klein beizugeben. Denn es dauert und dauert. Etwa zwei Stunden lang sitzen wir bei Kerzenlicht beisammen und diskutieren darüber, ob wir im Leben alleine oder einsam sind. Der Regen ist immer ein treuer Begleiter, wir sollten ihn besser zu schätzen wissen. Selbst wenn dadurch alles ein wenig farbloser erscheint, ein wenig fader. Der Regen wäscht so vieles fort. Richtet auch viel Schaden an, das lässt sich nicht verleugnen. Aber ich mag meinen treuen Begleiter, der mich auf Schritt und Tritt verfolgt. Plötzlich geht das Licht wieder an, nur um es schleunigst ausschalten zu können, um ins Bett zu huschen…

Donnerstag, 26. Mai 2011

Algo más gráfico

Für Lesefaule

Auch wenn viele meinen ich verbringe meine Zeit hier nur als Journalistin, schreibend, so liegen diese ein wenig falsch. Momentan versuche ich ein wenig mein fotografisches Portfolio zu füllen. Ein guter Freund, Andres, Werbefotograf, hat mir ganz spontan seine Blitzlichter geliehen und so verwandelt sich von Zeit zu Zeit unser großes Wohnzimmer zu einem Fotostudio. Langsam aber sicher füllt sich meine Festplatte mit Porträtfotos. Einige sind bereits in sozialen Netzwerken zu sehen, andere noch nicht, denn irgendwann demnächst hoffe ich eine eigene Homepage auf die Beine stellen zu können. Wenn ich also nicht durch Bogotá streife auf der Suche nach einer neuen Story, dann fotografiere ich fleißig Freunde und Freundesfreunde. Mal sehen wohin ich damit komme. Hier ein paar ausgewählte Arbeiten…

Jonathan Gutiérrez

Maddalen Yarza

Ronald Herreño

Abel Bernal

David Barliza

Vanessa Sandoval

Jessica Jiménez

Laura Moreno

Mauricio Méndez

Edier Buitrago

Carlos Sandoval

Julie Marín

Angélica Moreno

Daniela Rengifo

Und noch ein bisschen mehr... Mehr Haut, eine Freundin hat sich dazu bereit erklärt, Aktfotos von sich machen zu lassen, mal sehen, ob sich noch ein paar mehr zur Verfügung stellen.



Dienstag, 17. Mai 2011

Lluvia, peluqería, concierto y feria

Zwischen Alltag und Alltag



Ein großartiges Thema und zugleich eine willkommene Ausrede für geplatzte Verabredungen, sowohl mit Freunden als auch mit dem Chef. Der Regen scheint einfach alles lahm zu legen, obwohl der Großteil der Kolumbianer fast nur noch mit Gummistiefeln aus dem Haus geht und durchschnittlich acht Regenschirme besitzt, will trotzdem niemand auch nur eine Zehenspitze in die Nähe der Türschwelle setzen. Mitten in einem der zahlreichen Gewitter verlockt es mich geradeweg die Treppenstufen hinunterzurennen, die Tür auf zu reißen und hineinzustürmen in das Toben und Tosen. Vielleicht bin ich ein wenig zu verrückt für diese Welt, wer springt schon gerne durch die Pfützen und freut sich des Lebens bei jedem Blitz und wartet voller Spannung und Erregung auf den darauffolgenden Donner. Es ist kalt. Das sagen zumindest die Bogotaner, ich meine zu sagen es sind frühlingshafte Temperaturen, deswegen auch meine Begeisterung für den Regen. Einige hier leiden stark unter den Fluten, denn im wahrsten Sinne des Wortes sind ganze Stadtteile überflutet, noch immer sind ganze Landstriche unpassierbar und das schlägt sich wiederum in der schlechten Wirtschaftslage nieder. Aber nichts desto trotz, ich möchte nicht zu denjenigen gehören, die sich stets und ständig über das schlechte Wetter beschweren. Man kann aus einer Mücke auch einen Elefanten machen. Ich mag dagegen lieber die elefantengroßen Wolken, die sich in Luft auflösen. Es ist ja auch nicht so, dass die Sonne uns hier gar nicht mehr auf den Pelz brennen würde. Ab und an ist schon nochmal ein Sonnenbrand inklusive. Das Wetter ändert sich also nicht sonderlich, auch das unstete Leben hat seine Alltäglichkeit gefunden. Jede Woche ist zwar anders, aber doch lassen sich Muster erkennen.

Diesen Monat konnte ich einen Tag Kindheitserinnerungen erwachen lassen. Da ich Zeitungen austragen durfte. Und zwar in ganz Bogotá. Morgens um acht im alten Stadtzentrum, in einem kleinen Bus voll bepackt mit Stapeln von Zeitungen. Die neueste Ausgabe ist auf dem Markt, zwei Artikel meiner Wenigkeit. Auf jeden Fall geht es früh los, unser Fahrer, normalerweise Englischlehrer an einer Schule hier in Bogotá, der auch, wenn Platz dafür ist, die Kreuzworträtsel in The City Paper verfasst, Richard, ich und Tausende von Exemplaren der Zeitung. Die beiden sitzen vorne, ich teile mir den hinteren Teil mit Bergen von Papier, so ruckeln und flitzen wir durch die Straßen und Gassen der Altstadt. Ich muss zählen, zwischen 10 und 100 Exemplaren verteilen wir in Cafés, Restaurants, Hostels, Hotels… Entweder ich reiche die abgezählten Exemplare aus dem Fenster an Richard weiter oder ich springe selbst mit hinaus und lege TCP an bestimmten Stellen aus. So vergehen Stunden, wir arbeiten uns langsam aber sicher durch die Stadt, ein Mittagessen, kurze Pause und dann geht’s weiter, bis die Finger schwarz sind. Die Zahlen purzeln nur so durch meinen Kopf, ich weiß gar nicht, ob ich auf Deutsch, Spanisch oder Englisch zähle. Das mit der Sprache ist so oder so ein wenig konfus. Wir reden eher Spanglish, eine seltsame Mischung aus Spanisch und Englisch, ein Wort hier ein Wort da. Im Charleston Hotel klauen wir Äpfel, in einem Restaurant Maracuja-Bonbons. Abends um sechs haben wir in etwa sechstausend Ausgaben in der ganzen Stadt verteilt. Alles reinste Handarbeit.

Da sich das Wetter nicht verändert, muss ich mich eben verändern. Ein Besuch beim Frisör, aber nicht bei einem x-beliebigen. Diego Gonzalez. Normalerweise schneidet er nur den Neureichen, Film- und Fernsehsternchen die Haare, oder eben ganz besonderen Personen. Es ist ein wenig teurer als der „normale“ Frisör an der Straßenecke, der umgerechnet etwa 2 Euro für einen Damenhaarschnitt verlangt (dementsprechend sieht man auch aus, wenn man nicht genau beschreiben kann, was man möchte, und selbst dann ist es schwierig, denn Kurzhaarschnitte stehen hier nicht an der Tagesordnung). Etwa zehn Euro gebe ich also für einen der besten Frisöre in ganz Kolumbien aus. Er hat in Barcelona und Buenos Aires gelebt, seine Schwester ist mit einem Bremer verheiratet und die nächste Stadt auf seiner Liste wird Berlin sein. Ein junger glatzköpfiger gutaussehender Kerl begrüßt mich, als ich im versteckten dritten Stock den Raum betrete. Ein heller Saal, unterteilt mit weißen Wänden, große Spiegel, das Schwarzkopf-Logo lacht mir entgegen, der Ausblick ist wunderschön und schwupps sind wir im Gespräch. Eine Tasse Kaffee, viel Gelächter. Ein angenehmes Ambiente. Und das beste: Nach dem Schneiden und Föhnen sitzen wir noch ein ganzes Weilchen zusammen reden viel übers Leben. Das war wohl mein längster Frisörbesuch, geschlagene zwei Stunden war ich da, diese Woche gehen wir mal ein Bier trinken, um das Gespräch fortzuführen. Ein neuer Freund. Mein Frisör. Den packe ich auch in meinen Koffer, wenn ich irgendwann wieder zurückkomme nach Deutschland.

Abends gehe ich zu einem Konzert von Alfonso Espriella, spanischsprachige Rockmusik, wir haben ihn für die aktuelle Ausgabe interviewt. Ich vermisse zwar meinen Chef, der es aufgrund des Regens dann doch nicht schafft zu kommen, aber das Konzert ist trotz allem gut. Das Bühnenbild ist irgendwie schön, ein wenig verträumt, Lampions und leere Bilderrahmen schweben durch die Luft, das Cello kriegt mehr Licht ab als das Schlagzeug und Alfonso merkt man fast gar nicht an, dass er eine komplette Beinprothese trägt so wild wie er über die Bühne springt. Ein etwas einsamer aber schöner Abend.

Ein anderer Tag, ein anderer Plan. David kommt vorbei und überzeugt mich davon auf die Buchmesse zu gehen. Ab sechs Uhr ist der Eintritt kostenlos. Wir warten noch auf Carlos, oder besser gesagt, nach langem Hin und Her holen wir ihn von der Arbeit ab und wir machen uns gemeinsam auf den Weg. Ich bin kein großer Fan der kolumbianischen Buchmesse, das muss ich leider gestehen. Sie hat nichts weder von der Leipziger oder der Frankfurter Buchmesse noch etwas von der Lit.Cologne. Es ist ein riesiges Chaos, allerlei Pavillons, scheinbar thematisch geordnet, aber im Endeffekt ist es nur eine große Buchhandlung, schlecht sortiert. Aber die Besucher scheint das nicht zu stören. Sie rennen sich die Köpfe ein, kaufen aber nichts, denn wenn Bücher so schon Luxusgüter in Kolumbien sind, so gleicht die Anschaffung eines Buches auf der Messe einem Autokauf. Man traut sich noch nicht einmal ein Buch anzufassen. (Ein Kolumbianer liest durchschnittlich 1,8 Bücher im Jahr.) Aber der gute Wille zählt. Also ziehen wir von Pavillon zu Pavillon, der einzige interessante ist der des eingeladenen Landes, welches dieses Jahr Ecuador ist. Aber das ist auch schon alles. Das wenige Geld wird in Bier und Popcorn investiert. Zumindest von den meisten Besuchern, es gibt sicherlich auch Ausnahmen, die sich für spannende Titel wie Exisitiert Bin Laden wirklich? (am liebsten würde ich einen sarkastischen Kommentar loslassen, verkneife ihn mir dann doch). Im Pavillon für Kinder- und Jugendliteratur findet ein exklusives Treffen statt, bei dem Wein ausgeschenkt wird, das hätte man vielleicht nicht unbedingt zwischen Rittergeschichten und Plüschtieren veranstalten sollen. Aber ich will mich nicht beschweren: Ein, zwei interessante Verlage waren dabei. Mehr aber auch nicht. Man gut, dass die Transportkosten hier nicht allzu hoch sind.

Samstag, 30. April 2011

Una hermana que nunca tenía

Eine kleine große gleiche Schwester


Sie heißt Maddalen. Das mit der Aussprache des Namens ist ein wenig schwierig, ungefähr so schwierig wie mein Nachname, egal ob in Deutschland oder hier in Kolumbien. Madda, Maya, Madlen… Jeder nennt sie anders. Und sie ist anders. Eine ganz besondere Person in meinem Leben. Wir haben uns vor mehr als anderthalb Jahren kennen gelernt, hier in Bogotá. Sie war für etwa zwei Monate hier. Oft haben wir uns nicht gesehen, aber gleich zu Beginn während einer Reise mit all den anderen damaligen Austauschstudenten nach Villa de Leyva herrschte eine gewisse Magie zwischen uns. Eine Anziehungskraft. Normalerweise mache ich mir nichts aus Sternzeichen und so, aber eventuell hängen unsere Geburtszahlen doch verstärkt zusammen, mehr als ich manchmal glauben will. Meine kleine Schwester ist nämlich gerade mal zwei Tage jünger als ich. (Und immer noch bin ich die älteste von allen.) Fische. Und Madda ist definitv ein Fisch, ein ganz bunter schillernder Regenbogenfisch. Nicht nur, weil sie genau wie ich das Wasser liebt, sondern auch wenn sie Anwältin ist, doch ziemlich verrückt ist. Ein bisschen durchgeknallt, extrovertiert. Eben wie ich, aber gleichzeitig auch ganz unterschiedlich.

Seit etwa zwei Wochen teilen wir uns das Zimmer (bald bekommt sie ihr eigenes). Als Madda nämlich in Guatemala für die UNO gearbeitet hat, kam ihr die grandiose Idee zurück nach Kolumbien zu kommen. Die Ansteckungsgefahr hier scheint groß zu sein. Eine Menge der Ausländer, die ich hier kennen gelernt habe, wollen wiederkommen. Und ich bin ja eigentlich auch das beste Beispiel dafür, dass man sich in ein Land wie Kolumbien verlieben kann. Madda kam also vor zwei Wochen aus Guatemala in Bogotá an. Das letzte Mal hatten wir uns im Sommer gesehen, als ich es in Deutschland nicht mehr ausgehalten habe und mich kurzerhand ins Flugzeug nach Barcelona setzte. Eine Woche Sommer und spanisches Lebensgefühl (was ich bis dahin noch nicht wirklich kannte, denn Spanien war für mich immer unbekanntes Terrain gewesen). Eine Woche Großstadt und Strand, eine Woche voll von ewig langen Gesprächen, unzähligen Salaten, spätem Essen, Freiluftkino, Gaudí, der Sagrada Familia (die zu dem Zeitpunkt noch nicht vom Papst geweiht)und vielem mehr. In dieser Woche hat sich die Bindung nur noch mehr gefestigt.

Und jetzt sind wir wieder vereint, in unserer alten Heimat, in diesem Land, von dem wir noch immer nicht genau wissen, warum wir es so lieb gewonnen haben. Warum der Schritt weg von Kolumbien unmöglich erscheint. Ich auf jeden Fall will bleiben, erste Pläne brauen sich zusammen. Aber gut, erstmal genieße ich es eine europäische Seele an meiner Seite zu haben. Manchmal ist vieles einfacher, auch wenn wir aus noch immer sehr unterschiedlichen Kulturen kommen, so sind wir uns in vielen Bereichen doch sehr viel ähnlicher. Ich muss nicht erklären, warum ich etwas, wie mache, ich muss mich nicht rechtfertigen, ich muss nicht andauernd erzählen, wie es mir geht, was ich machen will, warum gerade Kolumbien. Ich kann mich einfach anstecken lassen von dieser Energie und Freude, die von Maddalen ausgeht. Ein Wirbelwind, auch wenn es gerade vielleicht nicht einfach ist, aber Schritt für Schritt finden wir unseren Weg und es ist grandios diesen Weg zumindest ein Stück weit, zusammen gehen zu können. Auch wenn ich die Einsamkeit sehr schätze, neben jemandem aufzuwachen hat auch seine Reize. Ähnliche Erfahrungen in ähnlichen Situationen zu sammeln, ähnliche Ansichten zu vertreten und im Grunde doch ganz verschieden sein.

Der Geruch nach spanischer Tortilla liegt noch immer in der Luft…

Dienstag, 26. April 2011

Un viaje chiquito

Flucht vor Wasser von oben und Freude über Wasser von unten




Nach zwei Monaten, die mehr oder weniger grau waren, zumindest was den Himmel angeht, verbringen wir ein, zwei Tage im Grünen…

Es ist Semana Santa, kaum jemand muss arbeiten und diejenigen, die Anfang der Woche doch noch früh rausmüssen, für die endet am Mittwochabend der Arbeitsalltag. Gründonnerstag, Karfreitag und auch das Wochenende scheint eine einzige Prozession zu sein. Kirchen werden geschmückt, jedermann und jederfrau ist in den heiligen Mauern zu Hause, hört sich Predigten an, betet als ob es um Leben oder Tod ginge. Und dass, obwohl wir uns hier in Bogotá noch nicht einmal in der katholischen Hochburg befinden. In Popayan zum Beispiel scheint man erst gar nicht zu schlafen, sondern durchgehend Tag und Nacht den Heiligenbildern zu huldigen.

Unsere Flucht gestaltet sich schwieriger als gedacht. Nicht nur in den Monaten Dezember und Januar hat es hier stark geregnet und Überschwemmungen gegeben, sondern auch in den letzten Monaten leidet das gesamte Land unter ungeheuren Wassermassen, die vom Himmel hinabstürzen. Mittlerweile sind viele Straßen unpassierbar, teilweise sind ganze Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten oder stehen kurz davor wie Granmalote im Dezember dem Erdboden gleichgemacht zu werden. Erdrutsche verwüsten ganze Landstriche. So ist auch die direkte Verbindung nach Sasaima, unserem Zielort, am Donnerstag komplett gesperrt, alle Alternativen ebenso. Also bleiben wir noch eine Nacht in Bogotá, den Tag verbringen wir mit viel Essen, frischem Fisch (der nach dem Frittieren nicht mehr ganz so gesund aussieht), Videos aus alten Zeiten – es ist amüsant meine kolumbianischen Freunde zu sehen, wie sie in ihren Jugendjahren waren, da kann ich mir ein Lachen ab und zu nicht verkneifen. Am Freitagmorgen dann versuchen wir unser Glück erneut, Kolumbianer morgens um fünf zu wecken ist gar nicht mal so einfach, aber spätestens unter der Dusche mit kaltem Wasser erwacht man selbst ebenfalls. Auf zum Bus-Terminal, es regnet, der Himmel weist nicht mal ein paar unterschiedliche Farbnuancen auf, sondern ist eine einzige graue Suppe. Der Teminal ist leer, kaum eine Menschenseele ist zu sehen, was wohl zum Einen damit zu tun hat, dass Karfreitag ist und zum anderen aufgrund der klimatischen Bedingungen. Vor ein paar Jahren noch ist man an diesem Tag weder vor die Tür getreten, noch hat man irgendwelche häuslichen Aktivitäten betrieben. In Schwarz gehüllt tat man Buße, doch an diesem Karfreitag hört man ab und an Kindergeschrei, auch Musik ist zu vernehmen. Dieser Freitag ist nicht mehr ganz so schwarz wie einst, vielmehr grau.

Die meisten Schalter am Terminal sind dennoch geschlossen, eine direkte Verbindung gibt es immer noch nicht. Wir können nach La Vega fahren (Las Vegas wäre natürlich noch um einiges interessanter), nach einem kurzen Telefonat mit der Polizei gibt es grünes Licht, die Straße von La Vega nach Sasaima ist passierbar. Noch wissen wir nicht wie, aber das werden wir noch früh genug erfahren. Also machen wir es uns erst einmal im Bus bequem, das Schaukeln des Gefährts ähnelt dem des einschläfernden Geruckels des Kinderwagens und so fallen die meisten von und in einen seichten Schlaf. Zwei Stunden später sind wir da. Das Schild La Vega leuchtet und glitzert, nunja, nicht unbedingt, es ist eher ein ausgeblichenes babyblau, das uns willkommen heißt. Und wir haben Glück, es gibt ein Transportmittel. Ein Jeep, die Frauen haben die Ehre und dürfen auf der Sitzbank im Wagen Platz nehmen (sechs auf dem Platz für drei Personen), die Männer müssen auf die Ladefläche, zumindest ist diese überdacht. Los geht die rasante Fahrt. Das Klima ist angenehm und es wird wärmer und wärmer (vielleicht auch wegen der körperlichen Nähe). Auf dem Weg sehen wir etliche verwüstete Regionen, die Kerle müssen ab und an absteigen, da auch diese Straße bereits gelitten hat, mit einem tiefer gelegten Auto würde man hier nicht vorankommen. Außerdem wird die ganze Fahrt über gehupt, denn größtenteils ist nur eine Spur befahrbar und die Strecke gleicht den Serpentinen der europäischen Gebirgspässe. Da wünscht man sich doch auf die Ladefläche, um die nahende Gefahr in Form anderer Verkehrsteilnehmer nicht sehen zu müssen. Nach einer Stunde etwa und mehreren Stops (um noch mehr Passagiere einzuladen) kommen wir an. Pünktlich zur Karfreitagsprozession. Da schleppt Jesus mit Dornenkrone sein Kreuz durchs Dorf, begleitet von dessen Bewohnern. Heiligenfiguren werden geschultert und selbst die Kleinsten nehmen Teil am Kreuzweg. Per Megafon werden Gebete gesprochen, wir stehen daneben und warten auf unsere Torte, denn der eigentliche Grund unserer Reise ist der Geburtstag einer Freundin, die aus diesem Dorf kommt. Nachdem auch die letzten Gläubigen verschwunden sind, kommt unsere Torte an. Wir machen uns auf den Weg, stellen uns vors Fenster und singen, sagen wir, dass wir es versuchen, denn keiner von uns ist ein ausgesprochenes Gesangstalent. Voller Verwunderung streckt Laura ihren Kopf aus dem Fenster, da öffnet sich auch schon die Haustür und ihre beiden kleinen Brüder Sergio und Juan Camilo lassen uns ein. Klamottenwechsel, endlich raus aus Jeans und Turnschuhen. Und ab in Richtung Schwimmbecken. Die seichte Luft, angenehme Wärme und das viele Grün bestärken uns einen Tag lang so richtig auszuspannen. Ein kleines Schwimmbecken mit steiler Rutsche nur für uns, herrlich, so gefällt uns Wasser. Nach zwei Monaten „Zwangs-Schwimmabstinenz“ (in Bogotá sind die paar Schwimmbecken unglaublich teuer) stürze ich mich ins kühle Nass und bin glücklich meine Bahnen ziehen zu können. Am liebsten würde ich die ganze Zeit hier bleiben, aber wir verbringen unseren Tag damit durchs Dorf zu schlendern und es so richtig gutgehen zu lassen.

Wir bestaunen die drei Faultiere, die sich hoch oben im Geäst der Bäume auf dem Marktplatz eingenistet haben. Essen und essen noch mehr. Auch solteras probieren wir, „Ledige“, vor Fett triefende kleine Waffeln mit einer Orangencreme bestrichen, nicht ganz so mein Geschmack. Aber immerhin können wir jetzt sagen, dass wir ein paar ledige Sasaimanerinnen vernascht haben (auch im Spanischen bedeutet umgangssprachlich „comerse a alguién“ genau das). Da Karfreitag ist, können wir nicht viel unternehmen, eigentlich wollten wir tejo spielen, aber die Räumlichkeiten sind geschlossen. Also begnügen wir uns mit der Terrasse und Kartenspielen. Bis nachts um zwei halten wir aus. Die Mehrheit verzieht sich ins Zelt, nur ich mache es mir bequem in der Hängematte. Fast alle schauen mich ungläubig an, aber ich ziehe die frische Luft der stickigen Zeltluft vor und so erwache ich erholt am nächsten Morgen. Nach einem typischen Frühstück mit Rührei machen wir uns auch schon wieder auf den Rückweg. Und das Glück ist uns diesmal hold. Denn die Straße nach Bogotá ist wieder geöffnet. Schneller als gedacht sind wir wieder in der grauen Hauptstadt. Meine Mitbewohnerin ist ausgeflogen und auch Maddalen eine Freundin, mit der ich momentan mein Zimmer teile, ist noch nicht wieder zurück. So habe ich ein wenig Zeit für mich, genieße die Stille, denn noch immer wirkt die Stadt wie ausgestorben. Erholt kann es in die neue Woche gehen.

Donnerstag, 14. April 2011

Pantalla o papel

Ein Tag vor dem Computer und nur eine halbe Stunde im Bücher-Antiquariat




Ich leide, leide mittlerweile auch an den typischen Haltungsschäden vom Arbeiten vorm Computer, zu wenig Sport zu viel virtuelles Leben (nicht, dass mein reales Leben unter den Tisch fällt, das sitzt durchaus brav und aufgeschlossen auf seinem Stuhl und genießt eine ausgewogene Auswahl an Veranstaltungen und Zusammenkünften). Aber so ist das mittlerweile mit dem Schreiben, nur selten nimmt man noch den Notizblock oder gar einen Briefbogen zur Hand. (Ich frage mich, ob man denen, die heute junge Mädchen sind, noch immer rosafarbenes Briefpapier mit Blümchen und den dazu passenden Briefumschlägen schenkt oder ob man nicht besser daran tut ihnen ein blinkendes, glitzerndes Blackberry oder iPhone zum Kommunizieren an die Hand gibt.) Der letzte handgeschriebene Brief liegt schon gefühlte Jahrzehnte zurück, selbst persönliche Gutscheine oder Glückwunschkarten werden mittlerweile am Computer gestaltet und ausgedruckt. Es ist ja nicht so, dass ich die neuen Medien nicht wertschätze, ich nutze sie ja mehr als ausgiebig, aber ein wenig Nostalgie kann nie schaden.

Ein Regentag. Glücklicherweise hat mir ein guter Freund einen winzig kleinen Regenschirm geschenkt, der sogar fast in die Hosentasche passt. Schwarz mit vielen kleinen bunten Punkten. Und wenn man ihn auspackt, dann wirkt er sogar recht groß und schützt nicht nur gegen den gemeinen Fisselregen Bogotás, sondern auch gegen die Regengüsse, die sich manchmal vom Himmel hinunterstürzen. Ich laufe also die Straße entlang, es beginnt langsam aber sicher zu regnen, die meisten Menschen suchen Unterschlupf während ich fröhlich durch den Regen stapfe. Mit einer neuen Errungenschaft, meinen grünen Stiefeln (ohne mich hier politisch äußern zu wollen). Das Abwassersystem funktioniert so gar nicht, die Straßen verwandeln sich in Flüsse mit ungeahnten Tiefen, da sich natürlich auch sämtliche Schlaglöcher volllaufen lassen, eine braune Brühe, die von Bussen, Taxis und anderen Fortbewegungsmitteln in Richtung Gehweg gespritzt wird. Meine Hose trieft zwar, aber der Rest ist einigermaßen trocken und ja, ich mag Regen. Am liebsten natürlich warmen Sommerregen durch den man barfuß laufen kann. Aber auch der Regen hier hat so seine Reize, vor allem, wenn man einen kleinen Wunderregenschirm besitzt.

Ich laufe also die Straßen entlang, springe ab und an den Autos aus dem Weg. Schon bin ich in der 45sten Straße (noch immer kann man sich hier gut an den Straßennummern orientieren), also fast zu Hause. Auf diesem Weg stolpern meine Augen immer und immer wieder über ein Bücher-Antiquariat. Diesmal denke ich mir, ich habe nichts vor, warum nicht ein wenig rumstöbern zwischen den riesigen Bücherbergen. Da kommt auch gleich ein netter gutaussehender Bücherwurm, lang, schlaksig, Baskenmütze auf dem Kopf und markante Brille auf der Nase und total hilfsbereit. Da keimt eine Idee in meinen Hirnzellen auf, vielleicht gibt es ja auch fremdsprachige Literatur hier. Etwas Deutsches sogar? Ich frage einfach mal. Da muss der junge Mann, höchstwahrscheinlich Literaturstudent, erstmal nachfragen. Dann befördert er mich wieder hinaus. Allerdings nicht im negativen Sinne, denn nach einigem Rumoren öffnet sich eine Nebentür, die mit den Blumen Van Goghs bemalt ist. Sie öffnet sich zumindest halb, denn der sich dahinter befindende Raum ist vollgestopft mit Büchern, so sehr, dass sich das Hereintreten etwas schwierig gestaltet. Ein Bücherregal quetscht sich ans andere, Ein Einkaufswagen voll mit mehr oder weniger Lesenswertem ist mitten im Büchermeer geparkt. Der scheinbare Literaturexperte kraxelt die vollgestapelte Treppe hinauf und lässt mich stöbern. Etwas schwierig, da man keinen Fuß vor den anderen setzen kann ohne nicht versehentlich auf ein Buch zu treten. Ich atme tief ein. Dieser Geruch nach altem Buch. Es gibt fast nichts Schöneres. Da soll mir jedes Kindle oder iPad gestohlen bleiben. Ich will Bücher fühlen können, riechen können. Mit dem Alter werden sie besser, wie ein guter Wein. Ein richtig schönes altes Buch. Mal sehen, was sich so finden lässt in diesem Chaos. es gibt definitiv keine Ordnung, da steht das amerikanische Kochbuch neben Henning Mankells Mittsommermord oder Gedichten von Aichinger. So richtig viel deutsche Literatur ist nicht dabei, eine Menge einfacher englischsprachiger Novellen, Unmengen an französischer Literatur. Ich werde dennoch fündig: Hermann Kant, Das Impressum. Endlich mal wieder ein paar deutsche Worte, verständlich formuliert und nicht nur die sich zwar stetig verbessernden Ansätze meiner Deutsch-Schüler, welche aber dennoch keine literarischen Meisterwerke sind. Aufgrund von finanziellen Engpässen muss ich Noah Gordons Die Schamanen leider dort lassen, aber er wird ganz oben auf einen der vielen Stapel gelegt, türnah, fürs nächste Mal. Aber ich glaube, die nächste Anschaffung wird die Hardcover-Ausgabe vom Orion-Verlag sein: Opas Pornos. (Das war eigentlich das erste deutschsprachige Buch, welches mit beim Eintreten entgegensprang.) Hoffentlich wird das nicht allzu teuer so ein Altenporno, man weiß ja nie. Mein Literaturhunger ist erst einmal gestillt. Aber ich würde gerne mit einer Tasse Tee inmitten dieses Raumes sitzen. Ich glaube, ich muss mal den Baskenmützentypen ausfragen, ob er wirklich Literaturstudent ist oder nicht doch Krankenpfleger…

Jetzt kann ich mich beruhigt in mein Bett kuscheln und ein hoffentlich gutes Buch lesen ganz ohne Anstrengung, denn auch wenn das mit den Fremdsprachen etwas Großartiges ist, ab und an ist ein Text in der Muttersprache das Schönste auf der Welt.

Freitag, 8. April 2011

Cocinera, periodista, fotógrafa, trabajadora manual

Welcher Beruf darf’s denn bitte sein?




Da steht ein Pferd vor der Tür, ja, vor meiner Tür, dahinter ein Karren gespannt. Wir mögen uns vielleicht im 21. Jahrhundert befinden, aber dieses Fortbewegungsmittel ist hier in der kolumbianischen Hauptstadt höchstwahrscheinlich noch in fünfzig Jahren zu sichten. Sollten die Deutschen auch mal drüber nachdenken, bei den ganzen steigenden Kosten, jetzt wo Diesel und Benzin gleichermaßen besteuert werden sollen… Jetzt ist es auch schon wieder weg, hat das bisschen Gras unterm Bäumchen vor der Tür weggefressen.

Da haben wir Menschen es schon besser. Anstatt Gras kommt uns was anderes auf den Tisch. Arabisches Essen zum Beispiel. In Anlehnung an einen Samstag vor genau ziemlich einem Jahr, startete ich ein umstrittenes Projekt: Gemeinsames Kochen für und mit zwanzig Personen. Nun ja, das Vorhaben war lange geplant, aber die Kolumbianer leben doch irgendwie lieber von Tag zu Tag. So schien es schon den Bach hinunter zu gehen. Tausend andere Dinge standen plötzlich zur Debatte. Aber letztendlich bin ich zunächst mit ein paar Leuten einkaufen gewesen (Gewürze sind in diesem Land unsagbar schwer zu finden, Kümmel bekommt man gerade noch so, aber Kardamom oder Kurkuma, auch Chilischoten sind hier eine Rarität). Scharfes oder eben gewürztes Essen wird hier eher verschmäht. Aber letztes Jahr gab’s schon deutsch-böhmisches Essen. Dieses Mal also etwas ganz anderes. Mit riesigen Töpfen und einigen Plastiktüten stürmen wir den Transmilenio, unterhalten unsere Mitfahrer mit einer eventuell nervtötenden Akustikeinlage (wir trommeln auf Topfböden und –deckeln herum). Außerdem sorgt auch meine Hautfarbe für ein wenig Aufmerksamkeit, sie hat nämlich die Farbe meines knallroten Oberteils angenommen. Krebsrot, die Nasenspitze hat mindestens Verbrennungen zweiten Grades erlitten und das nur, weil ich nach dem Englischunterricht geben ein Stündchen draußen war. Wenn die Sonne hier scheint, dann richtig. Aber ja, Mama (und alle anderen besorgten Leser), ich schleppe von nun an stets und ständig nicht nur Regenschirm und Sonnenbrille mit mir spazieren, sondern packe meine Sonnencreme ein, damit sich das Krebsrot nicht noch in Krebs verwandelt.

Wir kamen also mehr oder weniger schnell mit unseren Töpfen an. Aber der Großteil des Einkaufs musste noch erledigt werden. Zwei Frauen und sechs Kerle in einem Gemüseladen. Die Augen wurden immer größer, je mehr Grün in den Körben landete. Grüner Spinat, grüne Gurken, grüngelbliche Orangen, grünweißliche Zwiebeln, grüne Petersilie, glücklicherweise sorgten die Möhren (oder Kakarotten wie Gabriel, der gerade Deutsch lernt, zum besten gab) für einen Farbtupfer. Zu den vor Entsetzen nur so berstenden Blicken gesellte sich ein breites zufriedenes Grinsen als es zu Fleischtheke ging. Drei Kilogramm Schweinefilet und anderthalb Kilo Hackfleisch. Und schon war die Welt wieder in Ordnung. Wieder zurück in der Wohnung, wurde ich nur noch als „tscheff“ angeredet. Macht schon Spaß so seine eigene Küchencrew zu haben, vor allem, wenn die Rezepte kreuz und quer dirigiert werden müssen. Stundenlanges schnippeln, Zwiebeln und noch mehr Zwiebeln ohne Tränen, riesige Töpfe werden gefüllt, und am Ende des Abends stand ein großartiges Menu auf dem Plan: Spinatsuppe mit Hackbällchen und Brot, danach Schweinegulasch in Zimtsauce mit Möhrenpüree und vorgetäuschtem Safran-Rosinen-Reis, zum Nachtisch Honigkuchen und Orangensorbet. Es hat geschmeckt, so ziemlich allen. Und es war nicht nur ein großartiges Essen, sondern auch eine Überraschung für Jonathan, der am Freitag Geburtstag hatte. Satt und zufrieden wurde getanzt, gespielt (UNO wurde neuentdeckt, Twister, es ist wunderbar sich unter großen Kindern wieder zu finden) bis in die Morgenstunden. Während des ganzen Trubels hat sich allerdings unsere Küchentür selbstständig gemacht. Sie viel einfach so aus dem Rahmen, naja, nicht unbedingt ohne Fremdeinwirkung, aber fast. Immerhin hängt die Hängematte noch, alles andere ist heile geblieben. Nur der Boden. Auch wenn mir die letzten Mitfeierer morgens beim Aufräumen halfen, so kam ich doch nicht herum, die gesamte Wohnung zu wischen, und das ist so einiges. 90 m2. Aber es hat sich gelohnt.

Und der nächste Morgen begann nach zwölf Stunden Schlaf ohne Unterbrechung. Ran an die Arbeit. Es hieß, die April-Ausgabe von The City Paper zu designen. An einem riesigen Mac mit Indesign verbrachten wir so einen ganzen Tag, es ist ein langer und anstrengender Prozess alles haargenau an die richtige Stelle zu rücken, Harmonie zwischen Text und Fotos, sowie Werbeanzeigen zu finden. Gar nicht s einfach. Aber am Ende des Tages falle ich erschöpft mit quadratischen Augen ins Bett. Am nächsten Tag stand Korrekturlesen an, zunächst auf dem Papier, denn in gedruckter Version liest es sich einfacher (Bücher und Zeitungen werden niemals, niemals komplett durch elektronische Geräte abgelöst werden, dann werde ich weinen, für den Rest meines Lebens). Einige Artikel müssen gekürzt und verändert werden, andere sind einwandfrei geschrieben. Auch ich kriege mein Fett weg, was sehr gut ist. Mir fehlt es noch so an einigem, aber ich lerne ja. Deswegen bin ich hier.

Und jetzt halte ich voller Stolz die erste Ausgabe mit drei Artikeln und einem meiner Fotos in den Händen. Es ist… noch unwirklich, aber großartig. Und ich weiß, dass sich viele mit mir freuen. Außerdem habe ich es ganz alleine geschafft, die Tür zu reparieren, sie lässt sich wieder einwandfrei öffnen und schließen, hält sogar besser als zuvor und das mit bloßer Frauenpower (meine Hände haben nach dem Anziehen von neun Schrauben zwar etwas lädiert ausgesehen, aber was tut man nicht alles als unabhängige Frau;)).

Donnerstag, 31. März 2011

Maldita vida

Das Leben als Journalistin ist schon schrecklich




Ein kleiner Einblick in mein momentanes Leben. Irgendwie ist es ein wenig von heute auf morgen, von Tag zu Tag. Chaotisch, spontan. Sowohl Einladungen als auch Absagen. Man weiß nie genau, was im nächsten Moment passiert, was der nächste Anruf oder das nächste Treffen so bringt. Mein Kalender ist ein einziges Bleistift-Kugelschreiber-Massaker. Aber das ist gut so. Ein Job in einem Büro, morgens um sieben beginnen, damit man um vier Uhr nachtmittags schön nach Hause gehen kann und keinen Gedanken mehr an seine Arbeit zu verschwenden müssen. Das ist wohl nichts für mich.

Es kann zwar auch anstrengend sein, wenn man sich gerade für ein großes Mode-Event im Marriott Hotel schick macht und dann doch noch einen Anruf bekommt, dass das ganze geplatzt ist. Dafür wird man morgens zu kurzfristig zu einer Foto-Ausstellung von einer der bedeutendsten indischen Fotografinnen geschickt. Dayanita Singhs Arbeiten werden momentan im Museo de Arte del Banco de la República ausgestellt. Ein ganz anderer Blick auf Indien. Schwarz-Weiß-Fotografien größtenteils. Sie zeigen nicht dieses sonst so bunte und chaotische Leben, keine Kühe auf den Straßen, keine Märkte mit Bergen von Stoffballen oder Säcken voll von Gewürzen. Nichts dergleichen. Vielmehr ein sehr intimes Bild, das das von diesem überbevölkerten Land gemalt wird. Personen zwischen westlicher Moderne und indischer Tradition. Das Porträt eines Außenseiters unter Außenseiter – ein verstoßener Eunuch, Mona Ahmed. Oder die Ladies of Calcutta, Fotografien von Menschen, wie sie gesehen werden wollen. Erst in den neueren Arbeiten Blue Book oder Dream Villa wird Farbe eingesetzt. Und dennoch sind es fast noch immer Schwarz-Weiß-Fotografien, denn die bläulichen Farben scheinen zu verschwinden. Das künstliche Licht, das unser selbst kreiertes Nachtleben in Szene setzt. Eine Rezension über diese Ausstellung. Wenn ich schon mal hier bin, kann ich mir auch gleich eine weitere Foto-Ausstellung ansehen. Kolumbiens Geschichte durch Fotografien. Von Bürgerkriegen bis zur Ermordung Gaitans oder dem Gewinner der Vuelta a España 1987: Luis Herrera. Ein komplexes Gesamtbild eines sehr aufregenden Landes. Jeden Tag will ich mehr hierbleiben. Aber noch immer zieht mich vieles wieder weg hier. Unentschlossenheit.

Als Entschädigung für ein geplatztes Mittagessen wird man dann mit einer Eintrittskarte fürs Theater überrascht, in einem Moment, in dem man sich schon mit seiner Einsamkeit und einem Film abgefunden hat. Jeder Tag bringt immer etwas Neues mit sich – sei es im positiven oder negativen Sinne. Ein kurzer Anruf und schon bin ich auf dem Weg zum Casa del Teatro Nacional: Pintura Performance. Aktionskunst. Eine Art Theater, die man hier in Kolumbien nur sehr selten zu sehen bekommt. Rosario Jaramillo, eine der wichtigsten Schauspielerinnen inszeniert sich selbst und ihren nackten Körper in Entre nosotros La Folie als Homenage an ihren verstorbenen Bruder Lorenzo. Eine spannende Auseinandersetzung mit Homosexualität, Körper und Tod. Auch ist es seltsam mit einem aguardiente begrüßt zu werden. Nach einer kurzen Pause lässt Juan Aldana in seinem Werk No es lo mismo Dinamarca que Cundinamarca (Cundinamarca ist nicht da gleiche wie Dänemark) Worte auf der Mauer wachsen, die zwischen uns wächst. Eine zeitgenössische Interpretation des Hamlets. Beides sind atemberaubende Arbeiten, aber auch schwierig, erdrückend. Im Anschluss gibt es ein Glas Wein frei aufs Haus. Das ist das gute am Journalistendasein, man muss weder für die Eintrittskarte, noch für die Getränke zahlen (und Wein hier ist leider purer Luxus). Aber man hat ja auch eine Aufgabe, es geht nicht nur ums Genießen, sondern auch um Kritik. Mit jeder Ausstellung, jedem Theaterstück ergibt sich auch ein weiteres Stück Arbeit.
Nächste Woche ist es dann endlich soweit: Die nächste Ausgabe der monatlich erscheinenden Zeitung The City Paper wird gedruckt. 24 Seiten und drei davon sind von mir ausgefüllt. Ein großer Artikel und zwei Rezensionen. So langsam steigt die Nervosität an. Eine erste wirkliche Veröffentlichung meines Schreibens in einem Print-Medium. (Wenn man mal Berichte in der Vereinszeitung außer Acht lässt.) Wer weiß wie viele Augenpaare meinen Artikel lesen werden. Mittlerweile haben wir eine Auflage von 11.000 Zeitungen. Vor allem Ausländer hier in Bogotá werden mein Geschreibsel lesen. Spannung pur.