Ein langes Wochenende
Ein großer Bus, mehr als vierzig Leute unterschiedlichster Nationalitäten und ein Stop in einem Großsupermarkt... So beginnt ein langes Wochenende, der Montag ein Feiertag, also genug Zeit, um auch einmal andere Gefilde zu erkunden. Müde besteigen wir den Bus, Austauschstudenten wie auch einheimische Studenten, stoßen an, tanzen, schlafen, grölen, alles, was dazu gehört, man fühlt sich ein wenig in die Zeiten von Klassenfahrten zurück versetzt. Angesagt sind etwa vier Stunden Fahrt, aber anhand des Umrechnungsschlüssels für das kolumbianische Zeitsystem sind es dann doch sieben Stunden, in denen getrunken, gelacht und gerätselt wird, in was für einer schäbigen Herberge wir denn nächtigen werden. Mitten in der Nacht, nach unzähligen Kurven, Felswänden und Abgründen, die man bei der Dunkelheit kaum wahrnimmt, sind wir da, zumindest fast. Gepäck ausladen und Essen schleppen, da der Bus zu breit ist, müde, betrunken, zehn Kilo Reis oder Wasser in den Händen, die steile steinige Straße hinauf. Und dann überwältigt sein von dem Anblick, dem Ausblick, der Aussicht. Ein unglaublich schönes Gelände mit mehreren Fincas erwartet uns und das Panorama, mitten in den Bergen, man überschaut das gesamte Tal, die kleine Stadt – Villa de Leyva, ein koloniales Städtchen mit viel Charme. Wir werden bekocht, sogar nachts um zwei, Nudeln mit Würstchen, die vegetarische Variante: Nudeln ohne Würstchen. Und danach ins Bett fallen, wir sind zu fünft in einem riesigen Raum, in der Finca mit der schönsten Aussicht, andere Fincas sind mit Zwei-Bett-Zimmern, Terrasse und teilweise sogar Whirlpool ausgestattet.
Der nächste Morgen beginnt mit einem ausgedehnten Frühstück auf der Terrasse: Tamal, Brötchen, tinto… Und blauer Himmel, strahlende Sonne, Helligkeit, die einem das Leben versüßt und die kalte Dusche erweckt einen zu neuem Leben, gewöhnungsbedürftig, aber man kann sich ja nach dem Schock in der Sonne wieder aufwärmen. Dann: Sachen packen und ab in Kleinbusse, zehn bis zwölf Leute werden eng an eng durch wunderschöne Landschaften gekarrt bis hin zum Nationalpark La Perikera.
Müde, eng an eng geht es zurück zu unserem Quartier, es gibt Hamburger, die vegetarische Variante: Nudeln. Aber ich will mich nicht beklagen. Abends zieht es uns in die Stadt, ein riesiger Marktplatz, Kopfsteinpflaster überall, helle Gebäude im Kolonialstil, alles wird angestrahlt, man fühlt sich in eine andere Welt hineinversetzt. Kaum Autos, Schlichtheit und trotzdem imposant. Wir schlendern und stolpern durch die Gassen, und plötzlich meine ich nicht wirklich das zu sehen, was ich sehe, ein hölzernes Schild über dem Eingang in eine Lokalität, auf dem in großen Lettern „Dorfkneipe“ geschrieben steht. Wir lassen uns jedoch in einer anderen Kneipe nieder, trinken das ein oder andere alkoholische Getränk und die erste Gruppe, die den Heimweg antreten will, formiert sich. Wir suchen also ein Gefährt, das dreizehn Studenten nach Hause karrt, finden eins, quetschen uns hinein und fahren in die Nacht hinein…
Für viele endet die Nacht in den frühen Morgenstunden, während die meisten erst schlafen gehen, stehe ich auf, morgens um fünf, um den Sonnenaufgang in aller Ruhe zu genießen, allein, mit bloßen Füßen durch das nachtfeuchte Gras, hinauf, die Kälte durch die Fußsohlen in sich aufsteigen fühlen und mit beiden Füßen auf dem Boden stehen, tief in die Erde atmen, sich verbunden fühlen, das Hahnengeschrei und ein wenig Hundegebell ist das einzige, was die Ruhe unterbricht, aber die Stille und Friedlichkeit, die Einsamkeit und Natürlichkeit dieses Moments kann man in vollen Zügen genießen… Die Überlegung mich wieder hinzulegen verwerfe ich schleunigst, steige unter die eiskalte Dusche und erwache erneut am gleichen Morgen. Langsam tauchen auch andere verquollene Gesichter auf, ein reichhaltiges Frühstück verscheucht fast jeden Kater: Rührei mit Tomaten und envuelto, dann teilen sich die Gruppen, der Großteil macht sich auf den Weg, um einen Berg von 4000 Metern Höhe zu besteigen, ebenso viel Kletterei wie am vorigen Tag, der Rest macht sich auf den weg ins Städtchen, um zu reiten. Das erste Mal seit langer, langer Zeit, dass ich auf einem Pferd sitze, es heißt „Paloma“, ist schon etwas älter und auch eines der langsameren Pferde, aber trotzdem verstehen wir uns. Es geht auf über ausgetrocknete Wege, wir wirbeln eine riesige Staubwolke auf, jagen davon, mit uns zwei junge Reiter, die aufpassen, dass uns nichts passiert. Wir reiten und reiten durch Landschaften, gerade die männliche Gruppe genießt es nicht immer, aber wir gelangen an einen kleinen kristallblauen See mitten in einer Gegend, die sehr viel von einer Wüste hat, wir legen eine Pause ein, erfrischen uns, verstärken unseren Sonnenbrand und man kann sich durchaus wie in einem Westernfilm fühlen.
Nach einer Dusche und Stärkung genießen wir die Sonne auf der Terrasse, in der Hängematte
Als wir jedoch den Rückweg antreten wollen, finden wir kein einziges Taxi, alle sind Teil der Parade… Aber die Polizei, dein Freund und Helfer, hilft uns tatsächlich, gabelt doch ein Taxi auf und wir kommen pünktlich zum Frühstück in unserer Finca an. Sachen zusammenpacken, die letzten Tropfen Wasser aus den 5-Liter-Tüten pressen und dann alles hinunterschleppen zum großen Reisebus. Vier Stunden Busfahrt, diesmal am helllichten Tage, so sieht man viel vom Land, wir fahren durch kurvige Landschaften, kleine Dörfchen und werde angehalten, von der Polizei, in einer Gegend, in der es viel Guerilla gibt, da aber niemand von uns sich dieser anzuschließen gedenkt, dürfen wir unsere Reise fortsetzen. Die Großstadt hat uns wieder…
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