Ein freier Tag
Die Sonne geht morgens um halb sechs auf, meine Mitbewohnerinnen stehen auf, ich schlummere tief und fest weiter, bis etwa um acht, ganz anders als in Deutschland, wo ausschlafen bis zehn oder elf bedeutet. Ausgeruht tapere ich in die Küche, auf dem kurzen Weg dorthin begegne ich eventuell Caro oder Caro, die mir einen wunderschönen guten Morgen wünschen, fragen, wie ich geschlafen habe, dann drehe ich den Gashahn auf – klein und gelb – suche mir einen Behälter, fülle ihn mit Wasser, suche das Feuerzeug, finde es, die Flamme sticht empor, die Gasflamme lodert, wird kleiner gestellt und das Wasser kocht schon fast, die größte Tasse hervorgekramt, den Kaffeefilter aus Plastik drauf, guten 100%en kolumbianischen Kaffee hinein und heißes Wasser draufgießen, zusehen, wie sich das Kaffeepulver langsam mit Wasser voll saugt, sich die erste Crema bildet und tief einatmen, langsam in der Realität aufwachen, dem leisen Tröpfeln zuhören, wie der Kaffee sich mehrt, ein erster Schluck und ich bin da, angekommen…
Je nachdem worauf ich Lust hab, Brot und Käse oder Früchte, von denen man in der Heimat nur träumen kann, selbst die Bananen schmecken besser, intensiver, Eier, eines der Grundnahrungsmittel hier, Reis, selbst Fleisch wird zum Frühstück gegessen. Auf dem Sofa Platz nehmen oder am Esstisch, mit geschlossenen Augen genießen, die Aromen entfalten lassen, sich alles auf der Zunge entgehen lassen und ein wenig weiter träumen.
Später dann abwaschen, mit kaltem fließenden Wasser und einer grünen Paste, schwarze Gummihandschuhe, abtropfen lassen.
Sachen raussuchen, immer etwas neues, selbst die Hose sollte man jeden Tag wechseln, wenn man keine seltsamen Blicke ernten will, auch wenn ich mir sonst keine Gedanken darum mache, wer was über mich redet, aber es gehört hier zur Kultur, also passe ich mich an, ein wenig. An einige Sachen muss ich mich noch gewöhnen: Das Toilettenpapier wird in den Müll und nicht ins Klo geschmissen, der Müll wird nicht getrennt, der Abwasch mit kaltem Wasser, und viel Musik, wenig Ruhe… Unter die ELEKTRISCHE Dusche, die fest installiert ist, es gibt warmes Wasser, aber nicht sehr viel und schwierig zu regulieren, Shampoo gibt es, bei flüssiger Seife wird es schon schwieriger, das Wasser auf sich regnen lassen, jeden Tropfen spüren, sich wohlfühlen, Wasser gibt es hier reichlich und man kann es auch sehr gut trinken, ein wenig mehr Chlor als in Deutschland, aber sehr verträglich.
Dann die Fenster aufreißen, das wär schön, ist hier leider nicht möglich, nur ein kleines Seitenfensterchen in jedem Zimmer lässt sich öffnen, aber die Sonne scheint, jeden Morgen, in die Wohnung, alles ist hell, lichtdurchflutet, und man bekommt sofort gute Laune, ein guter Start in den Tag. Vielleicht ein kleiner Spaziergang durch den Park, den Kühen zumuhen, lachen, sich freuen hier sein zu dürfen. Ein kurzes Telefonat mit Luz, mittlerweile traue ich mich auch dranzugehen, dann den Computer anschmeißen, Mails überprüfen, schreiben, schreiben, schreiben – eine meiner Leidenschaften wie man unschwer erkennen kann –, sehen wer online ist, Freunde nerven, ausquetschen, wie es zu Hause ist, was es Neues gibt…
Zwischendurch den Mixer anschmeißen, hier kommen die Früchte nämlich in den Mixxaaaaa, sich einen Saft aus frischen Früchten machen, aufräumen, wer mich kennt, wird sich wundern, wie ordentlich ich sein kann, das Bad wischen, die Küche saubermachen, sich aufs Sofa fläzen und sich die Sonne ins Gesicht scheinen lassen.
Die Zeit alleine genießen, ein wenig Ruhe einkehren lassen und gespannt sein auf die nächsten Momente, die nächsten Stunden, die nächsten Tage, Wochen und Monate…
Irgendwann kommt dann irgendwer nach Hause, es wird geredet, umarmt, gelacht, gesungen, getanzt. Gespräche unter Frauen über Männer, Männer, die es nicht wert sind, dass man über sie redet, Männer, die es sehr wohl sind, Männer, die es vielleicht wert sind. Zusammen kochen oder auch für sich alleine, sich aufs Bett schmeißen, versuchen Tagebuch zu schreiben, eine eher neue Sache für mich. Abends, wenn es schon um sechs dunkel wird, gemeinsam durch die Gegend schlendern, sich berauschen lassen vom Leben, neue Wörter kennen lernen, vor allem Modismen, chévere!
Ein Tag neigt sich dem Ende zu, man hat nicht das Gefühl sich überanstrengt zu haben, aber auch nicht gar nichts getan zu haben. Es ist dunkel, aber die Stadt ist hell erleuchtet, überall strahlen Lichter, die Berge hinauf fast bis zur Spitze des Monserrate, der höchste Berg hier in der Umgebung…
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