Ein Geburtstagsständchen für Antonio weckt die Herberge an
diesem Tag. Sandra, die am Samstag zu einer Hochzeit in Santiago de Compostela
eingeladen ist, hat gestern ihr Auto aus Vilela, ihrem Startort, geholt und hat
nebenbei eine Kuchen für das Geburtstagskind organisiert und meine
Wanderstöcke, die ich schon seit geraumer Zeit nicht mehr anrühre, in ihrem
Wagen verstaut. Mit guter Laune laufe ich los. Über Waldwege gesäumt von Pinien
und Eichen. Vereinzelt ein paar verstreute Steinhäuser, herumrennende Hühner
und Ziegen, gemächlich grasende Pferde und Kühe. Landleben. Mitten auf den
Felder stehen große Bäume.
Wie jeden Morgen überhole ich erst das dänische Pärchen und
dann Pascal. Die „Morgenkonstante“ nennt er mich. Er läuft immer ein wenig
früher los als ich, doch mein Morgentempo sorgt dafür, dass ich ihn recht bald
einhole. Bereits am Rascheln meiner Hose und meinem Schritt erkennt er mich.
Ohne sich umzudrehen grüßt er mich. Eine kurze Morgenrunde Philosophie: Wie
lässt sich die Erfahrung des Pilgerns auf den Alltag übertragen?
Nach den
ersten zehn Kilometern setzen wir uns in einer perfekt am Jakobsweg
positionierten Bar an den runden Tisch und trinken unseren täglichen café con
leche. Dann stapfe ich davon. Erst in Baamonde mache ich wieder Halt. Vor dem
einzigen Supermarkt des Ortes hat sich eine italienische Pilgertruppe
versammelt. Sie laden mich ein, bei ihnen Platz zu nehmen. Gut, eine
Mittagspause will ich so oder so machen. Also belege ich mein Brot mit gutem
Dosenthunfisch und unterhalte mich ein wenig mit ihnen. Ein bisschen arrogant
sind sie schon. Einer unter ihnen fragt mich, seit wann ich denn bereits
unterwegs sei. Da ich nicht genau weiß, welcher Tag heute eigentlich ist, nenne
ich den 2. August als meinen Starttag. Daraufhin freut er sich ungemein, weil
er erst fünf Tage später angefangen hat. Als ob das ganze hier ein Wettbewerb
sei. Für einige anscheinend schon. Udo und Michael kommen vorbei und tragen mir
an, dass Antonio und Sandra an der Bushaltestelle sitzen. Wir haben nämlich
geplant ein gemeinsames Geburtstagabendessen vorzubereiten. Weg von den Italienern,
hin zu den beiden Spaniern. Sandra hat die Etappe ganz schön mitgenommen. Sie
entscheidet sich dazu, den Bus zurück nach Vilalba zu nehmen und mit ihrem Auto
bis nach Miraz zu fahren.
Antonio und ich laufen weiter. Jeder in seinem Tempo.
Ein kurzes Stück Straße, dann tut sich ein märchenhafter Eichenwald vor mir
auf. Tief atme ich ein, die Luft flimmert grünlich. Die alten Bäume knarzen,
ein paar Vögel piepsen vor sich hin, eine leise Brise raschelt durch das
Blätterdach. Herrlich. Dann lichtet sich der Wald, ein paar Örtchen, ein Weiler
hier, ein Weiler dort. Etwas Seltsames begegnet mir dann doch noch auf dem Weg.
Ein Stand mit allerlei Pilgerzubehör – Muscheln, Wanderstöcke, Hüte, Pins,
etc.–, dadurch wird mir bewusst, es ist nicht mehr weit bis zum vermeintlichen
Ziel. Ich dachte eigentlich um diesen ganzen Mist auf dem Küstenweg herum zu
kommen, aber auch hier wird der Jakobsweg immer mehr zum Konsumgut. Noch ein
Stückchen Straße und plötzlich habe ich mehr als 40 Kilometer geschafft. Ohne
weiteres.
Die Herberge wird auf Spendenbasis geführt. James und
Micheal von der britischen Jakobsweggesellschaft Confraternity of Saint James
nehmen mich auf, zeigen mir die neurenovierten Gemächer. Eine heiße Dusche und
plötzlich tauchen wieder ein paar bekannte Gesichter auf. Die Italiener sind
natürlich auch dabei. Nur Sandra wird kein Einlass gewährt, da sie den beiden
Pilgervätern suspekt ist. Wo gibt es denn so was, eine Pilgerin mit Auto? Es
ist ihnen auch nicht zu verdenken.
Im Nachmittagslicht sitzen wir mit Geburtstagsbier vor der
einzigen Kneipe des Dorfes und stoßen zusammen an, Antonio, Sandra und ich.
Anstatt Autos trotten hier ganze Rinderherden auf dem Asphalt entlang und
hinterlassen fladenweise ihre ganz eigenen Spuren. Dabei werden sie von
Familien angetrieben. Landidylle. Es gibt hier ganze 42 Einwohner und jeden Tag
stoßen bis zu 26 Pilger hinzu.
Am
Abend überzeugen wir dann die Pilgerväter, dass Sandra zumindest die luxuriös
eingerichtete Küche für das Essen mit uns teilen darf. Pascal steuert einen
Salat zun den Spaghetti mit Zucchini bei. Punkt neun müssen wir alle aus der
Küche verschwinden, denn dann wird hier das Frühstück für den morgigen Tag
vorbereitet. Das ist unglaublich selten.
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