In der Tat gab es heute Nacht einen Schnarcher im Raum.
Eigentlich wäre das kein Problem, daran hat sich der Langzeitpilger schon
längst gewöhnt. Nur die „Neuen“ eben nicht. Einer in dem Zimmer hat andauernd
versucht, den Schnarchenden mit Klatsch- und Schnalzgeräuschen versucht, wach
zu bekommen. Die junge Dame über mir hat ich mindestens eine halbe Stunde lang
demonstrativ umhergewälzt und gestöhnt, dass ich kurz davor war zu fragen, ob
bei ihr da oben alles in Ordnung sei. Irgendwann hat sie ihren Freund wach
gemacht, gemeinsam haben sie dann versucht, den Schnarchenden mit ihren
Stirnlampen auszumachen. Damit haben sie zwar fast den ganzen Raum wach
gemacht, aber das sollte ja sonst niemanden stören. Irgendwann haben sie ihre
Sachen zusammen gepackt und sind in ein anderes Zimmer umgezogen. Endlich
wieder Stille.
Sandras
Jacke schützt mich vor dem auffrischenden Morgenwind. Mit dem Kloster im Rücken
beginnt die letzte kurze Etappe. Bis nach Arzúa sind es 22 Kilometer. Gestern
Abend haben Pascal und ich aus einer atypisch geformten Kartoffel mit Hilfe von
ein paar Nudeln eine kleine Pilgerente gebastelt, diese lassen wir heute an
Kilometerstein 60 auf einem Paar Wanderschuhen zurück. Seit wir in Galicien
sind, zeigen die Wegweiser auch die noch fehlenden Kilometer an. Vielerorts
wurden sie abmontiert, wohl Pilger, die ebenso wenig wie ich ständig wissen wollen, wie
viele Kilometer man bereits gegangen ist oder eben, wie viele noch immer
fehlen.
Der Weg bis Boimorto ist noch ein letztes Mal voll von Einsamkeit.
Mittlerweile haben sich größere Pilgergruppen gebildet, die den letzten Rest
gemeinsam laufen. Ich würde gerne weiterhin ganz alleine sein. Die Etappe heute
ist nicht sonderlich erwähnenswert. Die Sonne scheint aus allen Knopflöchern.
Um dem Pilgeransturm in Arzúa aus dem Wege zu gehen, dort treffen nämlich der
Camino del Norte und der Camino Francés aufeinander, quartiere ich mich etwa
einen Kilometer in der wunderschönen Pazo Santa María ein. Zunächst kann ich
tatsächlich die Stille auf der Terrasse genießen. Bis dann eine Horde älterer
Franzosen einfällt. Es stellt sich heraus, dass diese 14-köpfige Truppe jedes
Jahr einen Teil des Jakobsweges bestreitet. Dabei haben sie Autos zu Hilfe,
eine Person fährt sie vom Startpunkt zum Zielpunkt des jeweiligen Tages, der
Rest wandert gemütlich und gepäckfrei leichte Tagesetappen von fünfzehn bis
zwanzig Kilometern. Sie veranschlagen auch keine Pilgerherbergen wie die
berühmt berüchtigten Touristenpilger, sondern nächtigen in Hotels oder
Pensionen. Sie nehmen mich in den Ortskern. Außer einer Statue mit dem hiesigen
Käse, vielen Übernachtungsmöglichkeiten für Pilger und einer Menge Restaurants
gibt es hier nicht viel. Nur ein, zwei bescheidene Supermärkte, in denen ich
mich für die vorletzte Strecke morgen eindecke. Zurück in der Unterkunft
genieße ich noch ein letztes Mal die Abgeschiedenheit.
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