Der Tag ist noch jung als wir unsere Rucksäcke schultern. Für Linda
ist es der letzte Wandertag, denn von unserem Tagesziel, Bilbao, aus fliegt sie
zurück nach Düsseldorf. Ein Sonnenaufgang steht noch auf der Wunschliste.
Catalina ist schon früh auf und verabschiedet uns herzlich mit den besten
Wünschen. Frühstück gibt es nach den ersten Kilometern, auf dem letzten Anstieg
vor Bilbao.
Schneller als gedacht kommen wir dort an, rechtzeitig, um am
Gottesdienst um 10.30 Uhr in der Catedral de Santiago teilzunehmen. Ein wenig
befremdlich. Kein Gesang. Gebete, die mir bekannt vorkommen. Allerdings ist es
lange her, dass ich in den Gottesdienst gegangen bin. Nach der Erstkommunion
verlor sich mein Interesse in anderen Dingen. Kirchen an sich sind wunderbare
Orte. Stille, Erhabenheit, angenehme Kühle. Ich bin anwesend, doch nehme nicht
wirklich teil. Ich genieße das kirchliche Gemurmel, die Gewissheit der
Gläubigen und werde ruhiger. Sitze. Meine Fußsohlen stöhnen bei jedem
Sicherheben und schreien nach Entlastung. Noch immer hat sich weder Körper noch
Kopf mit dem Pilgern angefreundet. Vielleicht doch den Bus zurück nach San
Sebastián nehmen? Oder zumindest morgen zur nächsten Herberge?
Die Altstadt ist nett anzusehen: enge Fassaden in unterschiedlichen
Brauntönen, kleine vergitterter Balkone, Fensterläden, schmale Gässchen. Die
Hitzewelle hat sich die letzten Tage über angebahnt und bricht sich nun direkt
über der Großstadt. Auf über 40 Grad klettert das Thermometer. Heute gönnen wir
uns ein Hotelzimmer, das können wir erst um 14 Uhr beziehen, solange müssen wir
uns noch draußen aufhalten. Ein kurzer Blick aufs Guggenheim-Museum, auf die
außergewöhnlichen Brückenkonstruktionen, die sich aufgrund des fehlenden Windes
keinen Millimeter bewegen.
Auf dem Rückweg fällt unserer Blick auf ein Schild
ins Auge: churros con chocolate. Wir werden uns unserem Hunger bewusst,
tatsächlich haben wir seit dem Frühstück nichts mehr zu uns genommen. Wir
wissen ganz genau, dass dies unser Café ist. An der Bar nehmen wir Platz und
nach ein wenig angekündigter Wartezeit dampfen die frisch frittierten
Brandteigkringel an und machen es sich in der dazu gereichten dickflüssigen
heißen Schokolade gemütlich. Unsere Gemüter erhellen sich schlagartig. Als der
Kellner uns dann noch erzählt, dass er ein wenig Deutsch gelernt hat, auf
Mallorca, geht uns das Herz auf. Auch wenn uns eigentlich gar nicht nach
Großstadtgefühl ist, zeigt sich Bilbao von einer angenehmen Seite.
Später, nach einer siesta, werfe ich zunächst Ballast ab, Linda nimmt
einiges an überflüssigem Gepäck von mir mit zurück nach Deutschland, dann
werfen wir noch einen zweiten Blick auf die Stadt. Ich glaube mich im Wandlungsprozess
zu befinden, ich fühle mich weder als Touristin noch bereits als Pilgerin.
Irgendwo dazwischen.
Lindas zweiter Wunsch: chipirones en su tinta (Calamaretti in eigener
Tinte). Wir begeben uns auf die Suche, die wahrscheinlich nie enden wird. Wir
suchen und suchen, finden aber nichts, bis auf Bill und Gavin, die am Brunnen
nahe der Kathedrale herumhängen. Auf der Plaza Nueva entdecken wir die Bar
Charly, die zumindest paella negra serviert. Als wir um 19 Uhr bereits zu Abend
essen wollen, schaut uns der Kellner mit großen Augen an. Wir lassen uns nicht
beirren und bestellen. Pulpo a la gallega und eben die schwarze Paella, die es
als einzige natürlich nicht mehr gibt. Dann eben die mit Meeresfrüchten für
señoritas. Wir träumen vom Meer mit dem Geschmack nach selbigem im Mund und
spülen ein wenig Bier hinterher.
Gabriel stößt noch zu uns, um sich von Linda
zu verabschieden. Mittlerweile ist es dunkel und die Terrassen der Restaurants
sind gut gefüllt. Ich verabrede mich mit Gabriel, um morgen früh gemeinsam zu
laufen. Der Kellner hat uns beiden blonden Deutschen irgendwie gefressen, als
es doch mehr als die von ihm überschlagene Summe von 50 Euro sind, lädt er uns
noch auf einen Txakoli ein, einen baskischen Weißwein. Wir flanieren noch ein
bisschen durch die warm beleuchtete Altstadt, doch als wir unserem Viertel
näher kommen, wird es dunkler und dunkler, wie auch die Gestalten, die sich um
uns herum befinden. Unwohlsein breitet sich aus, die Schritte werden schneller
und bestimmter. Im Hotel angekommen, bricht das große Zittern aus. Und dann:
ein Zimmer und außer mir und Linda niemand sonst darin. Was für eine ruhige
Nacht.
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