Mittwoch, 31. Oktober 2012

Laufen lernen - Tag 19


Aufstehen ist kaum möglich. Mein Kopf dröhnt, meine Beine fühlen sich an wie Pudding. Niemals schaffe ich 25 Kilometer bis nach Sebrayu. Niemals. Gerade so schaffe ich es bis zur Dusche. Aus der nur kaltes Wasser kommt. Nur mit Hilfe kann ich den gasbetriebenen Wasserheizer in Gang bringen. Da steht auch noch zu allem Übel die Labertasche Rosie in der Tür. Mir wird prompt wieder schlecht. 

Nach der warmen Dusche friere ich wieder und kuschele mich in die Decke. Die hospitalera lässt mich, sie bereitet Juan Carlos, der nicht ohne mich weiterziehen will, und mir einen Milchkaffee zu und bringt ein paar trockene Kekse. Zumindest setzte ich mich auf, packe meine Sachen. Wir werden in den Bus steigen und bis zur nächsten knapp zehn Kilometer entfernten Herberge fahren, entscheiden wir als ich nicht mehr ganz so wackelig auf den Beinen bin. Denn hier zu bleiben ist witzlos, es gibt noch nicht einmal einen Arzt in der Nähe, den man aufsuchen könnte.

In La Isla werden wir am Straßenrand heraus gelassen und da merke ich es wieder. Laufen geht einfach noch nicht. Im Schneckentempo krieche ich vor mich hin. Kurzerhand zieht Juan Carlos alleine los, um seinen Rucksack zum Ziel zu bringen und mich wieder abzuholen, dort, wo ich mich hingehockt habe. Auch diese hospitalera kümmert sich rührend um mich, sie hängt Bettlaken aus den Fenstern, damit ich auf der Terrasse auch genug Schatten habe. Da taucht Rosie auf, und quatscht Juan Carlos voll. Ich sitze teilnahmslos daneben, das Rauschen im Kopf vermischt sich mit der Erzählung der dramatischen Erlebnisse der ach so pilgererfahrenen Spanierin aus Toledo (bei jeder Gelegenheit erzählt sie, wie es denn in Toledo sei, definitiv eine Stadt, die ich niemals zu Gesicht bekommen werde, allein schon aus Angst, sie wieder zu sehen). Ein blauer Kleinlaster hätte auf einer Straße durch den Wald neben ihr Halt gemacht und der Fahrer hätte ihr Sex angeboten. Jetzt hält Rosie immer Ausschau nach einem dunkelblauen Wagen. Ich nippe weiter an meiner Orangenlimonade, Juan Carlos verdreht die Augen, selbst die sich zuvor hier sonnende Katze nimmt Reißaus. Nachdem wir uns registriert haben, bewegen wir uns vom Haus der hospitalera zur wirklichen Herberge. Es gibt eine funktionstüchtige Küche!

Erst einmal lege ich mich draußen auf die Bank. Der Kopfschmerz verschwindet gemächlich. Richtig gut geht es mir noch nicht, aber um Kilometer besser als gestern. Gegen Nachmittag schaffe ich es sogar, meine Wäsche zu waschen und lerne dabei die beiden Japanerinnen kennen, die seit Bilbao unterwegs sind. Etwas später schlendern Juan Carlos und ich gemütlich durch das kleine Örtchen, kaufen im winzigen Supermarkt frisches Gemüse und kochen, zurück in der Herberge, eine Riesenportion Nudeln mit Gemüsesoße. Sogar mein Magen macht mit. Früh gehen wir schlafen, um zu sehen, wie weit wir morgen kommen.

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