Sonntag, 21. Oktober 2012

Laufen lernen - Tag 9


Der Abschied von Linda ist kurz, wir werden uns wiedersehen in Deutschland- keine Frage. Mit meinem Rucksack, der nun gefühlte zehn, wirkliche zwei Kilo leichter sein dürfte, fliege ich quasi dem Treffpunkt in der Innenstadt entgegen. Dort wartet bereits Gabriel. Nach einer längeren Beratungs- und Bedenkzeit haben wir uns gestern dazu entschieden, die Metro bis nach Portugalete zu nehmen. Erstens empfehlen das sogar die Reiseführer, da die Strecke ausschließlich durch das enorme Industriegebiet Bilbaos führt und zweitens die Wettervorhersage den heißesten Tag der Hitzewelle angekündigt hat. Wir fahren also ein paar Stationen und als wir aussteigen, auf wen treffen wir da? Pascal.

Nach anfänglichen Orientierungsproblemen machen wir den ersten wirklichen Pilgerschritt für heute. Bis nach Pobeña sind es, ja, wie viele Kilometer eigentlich? So langsam verlieren die Zahlen an Bedeutung. Wochentag? Donnerstag. Ja, das weiß ich noch. Die Etappe heute ist recht kurz und eben, gut für meine noch immer blauen Zehen. Die meiste Zeit pilgern wir auf einem breiten Fuß- und Radweg fern von jeder Straße durch vor Grün nur so strotzende Hügel. Hühner, Ziegen und Pippi-Langstrumpf-Pferde sind unsere Begleiter. Und Menschen auf Rädern, mit Handtüchern bewaffnet. Denn: Wir werden das Meer wiedersehen.

Die Sonne sticht. Der Schweiß rinnt und die anfängliche Vorfreude aufs Meer hält nicht lange an. Eine Umleitung, normalerweise wären über einen lang gezogenen Sandstrand nach Pobeña gewandert. Doch nix da. Baustelle. Nach Zusatzkilometern sind wir nach Pascal als erste an der Herberge. Im Schatten warten wir auf Einlass. Irgendwie ist es nicht mein Tag. Auch die heiße Dusche und ein Gespräch darunter mit einer älteren Irin, die mit Freundinnen unterwegs ist, oder dem Wartegespräch mit Albert aus Barcelona, ändern nichts daran. Das merken auch Roberto und Gabriel, schleppen mich mit an den Strand, der nur über Umwege zu erreichen ist. Wellen, die gegen meinen Körper schlagen, der graue Himmel, die erdrückende Schwüle.

Wäsche waschen und schon halb trocken aufhängen. Wie in schon anderen Herbergen gibt es „Wäschetrockner“, eigentlich sind es Wäscheschleudern, die wortwörtlich das Wasser aus der Wäsche schleudern. Man füllt die nasse Wäsche in das röhrenförmige Gefäß, steckt den Stecker in die Dose und schon rattert es los, das altbackene Monstrum, kurz danach spritzen die ersten Tropfen Waschwasser aus dem kleinen Röhrchen. So lange warten bis kaum noch etwas herauskommt und dann noch ein, zwei Stündchen auf die vollbesetzte Wäscheleine.

Da Gabriel der Meinung ist, ich würde nicht genug essen, gehen wir zu dritt ins einzige Restaurant des Ortes. Salat, Schwertfisch und Dessert für 10 Euro. Doch der Service ist ziemlich schlecht; der Kellner drängt uns förmlich. Wir haben noch nicht einmal den ersten Gang zur Hälfte beendet, da bringt er schon schnellen Fußes den zweiten mit dem Hinweis, dass dieser schnell kalt werden würde. Außerdem ist es laut. Am Nachbartisch sitzt eine spanische Gruppe junger Pilger, unter ihnen auch Víctor. Das ist mir heute alles zu viel. Am liebsten möchte ich mich vergraben. Ich gehe einfach schlafen.

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