Einen Flughafen betreten. Abschied nehmen. Für kurze Zeit.
Fliehen? Heimlich und leise verschwinden? Auf die Suche gehen? Sich auflösen?
Die Gepäckaufgabe verläuft schnell. Kaum Handgepäck. Nur:
Kamera in der Hand. Weiterer Ballast wurde bereits abgeworfen. Ich habe keinen
Hunger. Plötzlich bleibt mir das Frühstückscroissant im Halse stecken, der
Milchkaffee rinnt nur langsam und wider Willen die Speiseröhre hinunter. Der
Magen rebelliert gegen den Orangensaft.
Ein Abschiedskuss. Mir sonst fremd.
Sicherheitskontrolle. Meine leeren Taschen entleeren. In
Wanderschuhen der sommerlichen Flughafenhitze trotzen. Kein Ton. Nur ein
Kopfnicken.
Ich laufe durch den endlos erscheinenden Frankfurter
Flughafen, bin schneller als das Laufband inmitten des langen Abflughallenschlauchs.
Was wohl den Siebenmeilenstiefeln zu verdanken ist. Oder doch dem Drang zu
entschwinden.
Fensterplatz. Per Internet gebucht. Sehe nur kurz hinaus,
dann schließen sich meine Augen. Rollbahn, Abflug, Schwebezustand. Niemand
sitzt neben mir. Die Stewardess kommt, bringt mir ein Käsebrot. Zufall? Eine
gute Freundin hat mir noch am gestrigen Abend Käsebrote für den Weg geschmiert.
Mit gutem Bergkäse, der jetzt in meinem Wanderrucksack vor sich hin kühlt.
Bilbao. Ich werde wiederkommen, mehr als nur einmal in den
kommenden Wochen. Per Bus über die breite Autobahn nach San Sebastián. Am
Busbahnhof weiß kein Busfahrer weiter. Nicht auf meine Fragen hin. Mein Weg
soll eigentlich nach Irún führen. Der ‚Euskotren’ ist des Rätsels Lösung. Nur,
um am morgigen Tag wieder zurück zu laufen. Nach San Sebastián.
Die erste Pilgerherberge finde ich nach ein wenig
Herumfragerei. Nach spanisch temperiertem Warten halte ich ihn in den Händen:
meinen Pilgerausweis, ausgestellt in Irún. Mit dem allerersten Stempel in
Muschelform.
6-Bett-Zimmer. Ein französisches Pärchen, Anfang 60. Odile
und Christian, die ihre Betten mit Anti-Bettwanzen-Spray parfümieren. Ein
weiteres Paar, Niederländer und Antonio. Er tippt sich mit dem Zeigefinger an
die Schläfe. „Der Camino spielt sich nur hier ab, alles andere ist ein Fuß vor
den anderen setzen. Nicht mehr und nicht weniger.“
Das ist der allererste Eindruck. Müdigkeit überkommt mich.
Auch das zweite Käsebrot für heute gibt mir kaum noch neue Kraft. Dieser Abend
endet zeitig im unteren Teil des Stockbetts. Und schon jetzt ist mir bewusst:
Der Rhythmus wird aus den Fugen geraten, die Gedanken aufeinander klatschen
oder einander jagen oder doch einfach nur verschwinden?
Liebe Constanze, ich wünsche dir alles Gute auf deinem Weg. Wo immer er dich am Ende auch hintragen wird Ich sitze inzwischen in dem Bergen, gehe mal Paddeln, aber muss hauptsächlich studieren. Der Ernst des Lebens hat mich wieder. Ich werde dich trotzdem seelisch ganz doll von hier unterstützen. Fühl dich ganz lieb gedrückt.
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